Blick auf einen Bagger von meiner Terrasse statt auf einen Acker: Mögliche Veränderungen vor der eigenen Haustür lösen immer wieder Proteste aus. Wenn nun der Kreistag, wie am 30. Juni geschehen, anders entscheidet, als sich Protestierende das wünschen – ist das ein Beweis dafür, dass Bürgerwille einfach missachtet wird? Warum nicht nur Detert Brummer-Bange (UWG) das Ja des Kreistags zum „Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP)“ weiterhin beschäftigt.

Ton: Wichtig nicht nur für Bau-Materialien wie Mauerziegel und Tondachsteine.
Proteste in Mönkehöfen, einem Ortsteil von Ostercappeln, gegen das „Regionale Raumordnungsprogramms (RROP)“ – weil darin u.a. neue Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für die Rohstoffgewinnung ausgewiesen werden. Einer dieser Rohstoffe ist Ton. Und den gibt es in Mönkehöfen. Von einem dortigen Tonabbau wären einige Dutzend Bürgerinnen und Bürger ganz direkt betroffen. „Dass da protestiert wird“, so Detert Brummer, „kann ich nur zu gut verstehen. Was nicht nur mich, zeigen mir Gespräche, in diesem Zusammenhang umtreibt, ist die jedoch die Frage: Wird der Wert von Bürgerbeteiligungen, die es auch zum RROP gab, noch in ausreichendem Maße gesehen?“.

Bürgerbeteiligung: Rund 1.000 Einwendungen nach der ersten Auslegung. Als Bestätigung dafür, dass die Bürgerwille missachtet wird, muss oft auch herhalten, dass z.B. Protest gegen einen Windpark und anderes nicht erfolgreich ist. Seht her, heißt es dann, die machen doch sowieso, was sie wollen. „Die Wahrheit ist eine andere“, so Brummer-Bange. „Das jetzt verabschiedete Raumordnungsprogramm (RROP) für den Landkreis wurde z.B. seit 2023 mehrfach öffentlich ausgelegt. Im Rahmen solcher Öffentlichkeitsbeteiligungen kann sich auch jeder Bürger zu dem Vorhaben äußern“.

Ein Ergebnis: Das Flächenpotential Windenergie wurde reduziert.
Die erste öffentliche Beteiligung (Mai/Juni 2023) endete mit rund 1.000 Stellungnahmen. Eine der Folgen war z.B., dass das Flächenpotential Windenergie reduziert wurde. Nach einer weiteren öffentlichen Beteiligung wurde es nochmals verringert. Die dritte Auslegung hatte dann keine Änderungen zur Folge.
Einwendungen immer wieder gegeneinander abwägen. „Gelebte Demokratie“.
Rund 1.000 Einwendungen: Allein diese Zahl zeigt, dass es so etwas wie den einen „Bürger-Willen“ gar nicht gibt. Es gibt sehr viele unterschiedliche Interessen und Notwendigkeiten, die abgearbeitet und gegeneinander abgewogen werden müssen. „Dass jeder Einwendungen vorbringen kann, ist jedoch gelebte Demokratie“, so der UWG-Fraktionsvorsitzende. Wenn nun aber doch Windräder in einem Gebiet stehen könnten oder Ton abgebaut wird, wo Bürgerinnen und Bürger das nicht wollen – ist das Instrument Bürgerbeteiligung dann immer noch gelebte Demokratie? Die Antwort ist Ja, denn der Forderung „nicht hier bei mir, sondern woanders“ kann zumeist gar nicht nachgekommen werden. Bei der Ausweisung von Windenergie-Gebieten sind z.B. viele Kriterien zu beachten wie Abstände zu Siedlungen und Schutzgebieten, landschaftliche und naturschutzrechtliche Belange. Und einen Ton-Abbau kann es auch nur dort geben, wo Ton vorhanden ist.

Was „Gemeinwohl geht vor Eigenwohl“ bedeutet. Und dann gibt auch noch den Rechtsweg.
„Zu unserer Demokratie gehört auch, dass das Grundgesetz eine Abwägung zwischen individuellen Rechten und dem Gemeinwohl vorsieht“, so Detert Brummer-Bange. Umgangssprachlich ausgedrückt: Gemeinwohl geht vor Eigenwohl. Nicht zu vergessen: Wir leben in einem Rechtsstaat, der jedem Klagemöglichkeiten eröffnet. Nach einem 3-jährigen Prozess hat nun der Kreistag am 30. Juni das neue Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) als Satzung geschlossen. Es war eine Entscheidung von großer Bedeutung für die Zukunft des Landkreises insgesamt.
Was wäre, wenn der AfD-Wille Gesetz würde? Jede Entscheidung hat Folgen.
Windräder verschandeln die Landschaft? „Was mir dazu immer wieder durch den Kopf geht“, so Brummer-Bange: „Als einzige Partei ging die AfD mit der Forderung in den letzten Bundestags-Wahlkampf, den Kohleausstieg zu stoppen und mehr Kohlekraftwerke zu bauen.

Lassen wir bei der Kohle den Klimawandel mal völlig außen vor: Um Kohle zu fördern, werden z.B. ganze Landstriche verwüstet, Tagebaue sind bis zu 400 m tief, Dörfer verschwinden, Tausende Menschen müssen ihre Heimat verlassen und nach dem Tagebauende bleiben gigantische Restlöcher, die über Jahrzehnte künstlich mit Wasser befüllt werden sollen – und Wasser wird knapper und knapper.

Der nordrhein-westfälische Braunkohle-Tagebau Hambach z.B. ist mit 85 km² sogar das größte Loch Europas. Weiterhin Kohle abbauen und sogar mehr denn je: Wäre die Folge einer solchen Weichenstellung nicht auch Protest über Protest? Den einen Bürger-Willen gibt es eben nicht“. Laut Statista 2025 halten übrigens 73 % der Menschen den Kohleausstieg für „sehr wichtig“ und „wichtig“.
Quellen:
1 www.noz.de/lokales/artland/artikel/badbergen-anwohner-kaempfen-gegen-geplanten-windpark-nahe-haseaue-48888939
2 www.bund-nrw.de/themen/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohlentagebaue/
3 www.bild.de/politik/inland/rhein-duerre-bedroht-deutsche-wirtschaft-wasser-pegel-viel-zu-niedrig-67ea47192a806f03f5a93450