3:42 Stunden Livestream: Wie kam er an?

Grundsätzlich gut, aber… Die Kreistagssitzung vom 11. Juli konnte erstmalig auch per Livestream von überall her verfolgt werden. Wie kam diese Premiere an? Dazu das UWG-Kreistagsmitglied Sebastian Gottlöber.

„Der 1. Livestream ist über die Bühne gegangen. Als Gruppe SPD/UWG freut uns das, denn er ist das Ergebnis eines Antrags, den wir vor über einem Jahr gestellt haben. Aber wie kam der Livestream in der Form, in der er stattfand, bei den Bürgerinnen und Bürgern an? Was uns UWG’ler dazu als erste Reaktionen zu Ohren kam, ist erfreulich – und zugleich eine Anregung und ein Auftrag, Verbesserungen anzustreben.

Am Rednerpult: Das UWG-Fraktionsmitglied Matthias Pietsch. Es sei „unverzügliches Handeln erforderlich“, sagte er zum Antrag der Gruppe SPD/UWG, kreiseigene Parkflächen und Gebäude mit Photovoltaik- Anlagen auszustatten. Quelle: Screenshot Livestream www.youtube.com/user/lkosnabrueck

3:42 Stunden, 32 Tagesordnungspunkte – das war so viel Stoff, dass das Politikinteresse schon außerordentlich groß sein musste, um vom Anfang bis zum Ende beim Livestream mit dabei zu sein. Man hätte ja aussteigen und dann bei den Punkten, die einen besonders interessieren, wieder einsteigen können – das hätte man können, aber das erwies sich in der Praxis als ausgesprochen schwierig.

Welcher Tagesordnungspunkt ist gerade dran? Detert Brummer-Bange bot mit seinen Facebook-Posts eine Orientierungshilfe.

Welches Thema ist wann dran? Den richtigen Zeitpunkt verpasst.

Zuschauende können nicht abschätzen, wann in etwa welcher Tagesordnungspunkt aufgerufen wird. Das schwante uns schon vor der Sitzung, und so postete z.B. unser UWG-Fraktionsvorsitzender Detert Brummer-Bange per Facebook während der laufenden Sitzung, welcher Tagesordnungspunkt gerade dran ist. Aber selbst Zuschauende, die sich vorher schlau gemacht und sich notiert hatten, bei welchen Tagesordnungspunkten sie gerne zuschauen wollten, verpassten, bekamen wir zu hören, den richtigen Zeitpunkt.

Ein Ausschnitt aus der Tagesordnung. Kindertagespflege, Jugendfreizeiten: Die Gruppe SPD/UWG hatte – erfolgreich – mehrere Anträge eingebracht.

Zu spät wieder eingeklinkt, weil man sich z.B. zwischendurch mit den Kindern beschäftigen musste – und man konnte auch nicht zurückspulen, haben wir z.B. als Kritikpunkt für weitere Debatten über die Zukunft des Livestreams notiert. Unter dem Strich scheint der Verbesserungsbedarf aber weitergehend zu sein.

Auf dem Wunschzettel: Der Wunsch nach Unabhängig von der Sitzungszeit.

Der Livestream ist von Vorteil, weil die Bürgerinnen und Bürger nicht zum Tagungsort Osnabrück anreisen müssen. Er macht unabhängig vom Ort, aber nicht von der Sitzungszeit. Warum kann ich nur während der Sitzung zuschauen und nicht zu einem späteren Zeitpunkt über YouTube? Ob Berufstätigkeit und/oder Familie: Wer hat schon an einem Wochentag ab 15 Uhr Zeit? Zudem haben sich die Zuschauergewohnheiten stark verändert.

Dass z.B. eine TV-Sendung nur zu dem Zeitpunkt geschaut werden kann, der als Sendezeit in der Fernsehzeitung steht, diese Zeiten sind schon lange vorbei. Viele Menschen sind inzwischen an die Unabhängigkeit gewöhnt, eine Sendung, einen Film zum eigenen Wunschzeitpunkt anschauen zu können. Beim Livestream sind wir noch nicht so weit, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Andernorts ist man schon weiter.

In Groß-Gerau steht der Livestream auch über die Sitzung hinaus zur Verfügung. Es gibt auch keine starre Kameraposition und so sind auch mal Kreistagsmitglieder zu sehen wie hier in der Sitzung am 4. Juli 2022. Der Landkreis Groß-Gerau ist kleiner als der Landkreis Osnabrück. Quelle und ©: www.youtube.com/watch?v=zRRgbI5RpjI

Wir als UWG fühlen uns nach dieser Livestream-Premiere nicht nur darin bestärkt, uns dafür einzusetzen, dass der Livestream vom Pilotprojekt, das er derzeit noch ist, zur Selbstverständlichkeit wird. Um seine bestmögliche Transparenz-Wirkung entfalten zu können und um möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, sollte er auch über den Sitzungstag hinaus verfügbar sein.

Bei der Livestream-Premiere in Osnabrück gab es nur am Ende eine kleine Panne: Nach einer langen Phase mit der Pausengrafik bei Einwohnerfragen kam nichts mehr – nur Schwarz statt letzter Bilder aus der Sitzung.

Wir wollten und wollen mehr Livestream-Öffentlichkeit.

Von den 69 Kreistagsmitgliedern gehören 22 unserer Gruppe SPD/UWG an. Um etwas durchsetzen zu können, müssen wir um Zustimmung bei anderen Fraktionen ringen. Der Weg zur Livestream-Premiere am 11. Juli war mit vielen Steinen gepflastert.

In unserem Antrag vom letzten Jahr hieß es: „Die Sitzungen des Kreistages Osnabrück und der Fachausschüsse werden per Livestream im Internet übertragen“. Hätten andere wie Grüne/FDP/CDW oder CDU dem zugestimmt, wäre es so gekommen. Statt Zustimmung gab es jedoch reichlich Abwehrreflexe. Livestreams von Ausschusssitzungen blieben bislang leider ganz auf der Strecke.

Während der Übertragung dauerhaft zu sehen: Mittschnitte sind nicht erlaubt. Das ist eine der einschränkenden Regeln zu Livestreams von Kreistagssitzung des Landkreises Osnabrück. Den Livestream nach der Sitzung anschauen, das geht nicht. Er ist nicht mehr verfügbar. Quelle: Screenshot Livestream www.youtube.com/user/lkosnabrueck

Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellen.

Dominiert wurden die Gegenwind-Debatten im Kern von Vorbehalten gegen ein Mehr an Öffentlichkeit. So stellten die Grünen einen Änderungsantrag und baten um Klärung der Frage: Welche individuellen Gestaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen Redners können eingeräumt oder berücksichtigt werden, wenn jemand keine Liveübertragung möchte?“ Kreistagsmitglieder können in der Tat verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrags unterbleibt. Wir hätten uns jedoch ein engagiertes Werben dafür gewünscht, dass wir Politikerinnen und Politiker uns nicht der Livestream-Öffentlichkeit entziehen, sondern offen mehr Bürgernähe und Transparenz praktizieren.

Alle drei Kreistagsmitglieder der UWG waren bei der Livestream-Premiere im Kreistag mit dabei. Von links: Sebastian Gottlöber, Matthias Pietsch und Detert Brummer-Bange.

Zu den besonderen Anliegen der CDU gehörte zudem, dass der Livestream nicht über die Sitzung hinaus zugänglich bleibt: Mitschnitt nicht erlaubt, keine längere Verfügbarkeit über YouTube. In Sachen mehr Bürgernähe und Transparenz gibt es noch viel zu tun. Meine Kollegen und ich werden sich dafür einsetzten, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt der weiteren Debatten über den Livestream und seine Ausgestaltung stehen.“