„Da ging mir gerade die Hutschnur hoch“

Hoch ging sie Detert Brummer-Bange (UWG) in der Kreistagssitzung am 30. Juni beim Thema „Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz“. Der Grund dafür war ein scharfzüngiger Redebeitrag von Andreas Quebbemann (CDU). Der kam aus der Sicht des UWG-Fraktionsvorsitzenden einer pauschalen Diffamierung von Geflüchteten und Asylbewerbern gleich. Zum Sitzungsabschluss dann ein locker-launiger „Wünsch-Dir-Was“-Stimmungsaufheller von Brummer-Bange (siehe unten)…

2016: Detert Brummer-Bange (rechts), damals Ankums Bürgermeister, bei einem Treffen mit Geflüchteten. Viele von ihnen waren aus Syrien geflohen. Nach wie vor ist die Frage der Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft ein wichtiges Thema. Foto ©: rm

„Liegen auf dem Sofa, bleiben einfach im Bett liegen“. Sozialschmarotzer?

„Warum ging mir die Hutschnur hoch? Leider konnten die Livestream-Zuschauenden nicht hören“, so Brummer-Bange, „was Andreas Quebbemann zu ,Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz‘ von sich gab“. Wenn er spricht, erscheint im Livestream das Bild Pause. Dass er nicht gesehen und gehört werden will, ist sein Recht. Dennoch ist zu fragen, warum ihn nicht mehr Menschen als die vor Ort Anwesenden sehen und hören sollen??? Die liegen auf dem Sofa und bleiben einfach im Bett liegen, gehörte zu Quebbemanns Worten zu Geflüchteten und Asylbewerbern, die noch nicht in Arbeit sind. Aus meiner Sicht war das Stimmungsmache von der Art ,Sozialschmarotzer, denen man jetzt mal Beine machen muss‘. Das konnte so nicht stehenbleiben.“

Die Sprache zu lernen ist eine der zu meisternden Herausforderungen. Archivbild von 2016, Foto ©: rm

Sie dürfen nicht arbeiten, sie sollen nicht arbeiten – wir haben diese Regeln aufgestellt. Detert Brummer-Bange machte in seinem Redebeitrag deutlich, warum das Quebbemann-Statement den Menschen, um die es geht, in keiner Weise gerecht wird. So erinnerte er z.B. daran, dass die zu uns Gekommenen erst einmal gar nicht arbeiten durften und sollten. Mit der Folge: Wenn jemand über eine lange Zeit einfach nur in einer Unterkunft herumsitzen kann, ist jeder Tag sehr sehr lang und es ist wenig verwunderlich, dass es mit der Zeit immer weniger gelingt, Struktur in seinen Lebensalltag zu bringen. Dazu kommt bei vielen die ständige Unsicherheit und Sorge, ob und wie sie hier überhaupt eine Zukunft haben werden. „Arbeitsgelegenheiten so schaffen“, so Brummer-Bange weiter, ist „sinnvoll, sofern es denn wirklich sinnvolle Gelegenheiten sind“ (mehr zum verabschiedeten Landkreis-Konzept „Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz“ in einem gesonderten Bericht).

Ein fremdenfeindliches gesellschaftliches Klima trägt entscheidend mit dazu bei, dass wir gut ausgebildete Fachkräfte verlieren bzw. dass sie gar nicht erst zu uns kommen. Quelle und ©: www.tagesschau.de/wirtschaft/arbeitsmarkt/iab-eingewanderte-auswanderung-100.html

Vorurteile bedienen: Das schadet uns selbst – denn Fachkräfte werden dringend benötigt.

Der UWG-Fraktionsvorsitzende meldete sich dann zum Ende der Sitzung zu ausländischen Arbeitskräften und unserem gesellschaftlichen Klima zu Wort. Zum Hintergrund:

Studien gehen davon aus, dass wir eine Nettozuwanderung von – jährlich! – 288.000 bis 400.000 Arbeitskräften aus dem Ausland brauchen, um die Beschäftigung auf einem konstanten Niveau zu halten.

Eine niedersächsische Dachdecker-Firma sucht sogar in Indien. Demografisch bedingt verliert der deutsche Arbeitsmarkt ohne Zuwanderung in den nächsten zehn Jahren sieben Millionen Arbeitskräfte. Quelle und ©: www.ndr.de, siehe 1

Detert Brummer-Bange: „Seit dem 1. Juli 2025 vereinfacht Niedersachsen die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland. Dazu wird in Osnabrück eine zentrale Ausländerbehörde eingerichtet. Wir brauchen Zuwanderung, aber werden überhaupt ausreichend viele Menschen kommen wollen – und vor allem bleiben wollen? Dazu in einem FAZ-Bericht zu lesen: „Ohne eine ausgeprägte Willkommenskultur in Behörden, Unternehmen und Kommunen und die Aussicht auf einen längerfristigen Aufenthalt würden sie ausbleiben“ (siehe 2). „Daraus ist zu schließen“, so Brummer-Bange, „dass wir unserer Wirtschaft und damit uns allen massiv schaden, wenn ein von Vorurteilen geprägtes gesellschaftliches Klima befördert wird.“

Eine Anwerbe-Initiative ist z.B. der Film „Mein Weg zur Fachkraft im Landkreis Osnabrück“. Es fehlt aber noch an Initiativen für ein positives gesellschaftliches Klima – damit Menschen kommen und auch hier bleiben wollen. Quelle und ©: www.landkreis-osnabrueck.de, siehe 3

„Gibt es von Seiten des Landkreises Initiativen für ein positives Klima?“

„Auf meine Anfrage“, so Brummer-Bange, „ob es von Seiten des Landkreises Initiativen für ein positives gesellschaftliches Klima gibt, damit ausländische Arbeitskräfte auch langfristig hier bleiben, antwortete Landrätin Anna Kebschull. Sie verwies u.a. auf die gute Arbeit des Migrationszentrums. Das leistet in der Tat gute Arbeit. Die Landrätin schloss mit dem Satz, sie werde meine Anfrage als ,Motivationsschub mitnehmen‘. Ich werde darauf zurückkommen, denn an Ideen für Landkreis-Initiativen für ein positives Klima gegenüber ausländischen Arbeitskräften hapert es anscheinend noch“. 

Nach über 5 Stunden Sitzung: „Wenn ich einen Wunsch frei hätte …“.

Für etwas Auflockerung sorgte am Schluss des langen und teils angespannt-kontroversen Sitzungsverlaufs ein Versprecher des Kreistagsvorsitzenden André Berghegger (CDU). Der sprach, als Detert Brummer-Bange zum Tagesordnungspunkt „Anfragen und Auskünfte“ dran war, von „Wünschen und Auskünfte“. „Wenn ich einen Wunsch frei hätte“, konterte Brummer-Bange launig, „dann bitte keine 5 ½ Stunden-Sitzungen, sondern lieber 6 Kreistagssitzungen im Jahr“. Kürzere Sitzungen, das ist auch ein Anliegen des Kreistagsvorsitzenden. Er plädierte schon am 10. März für ein 4-Stunden-Limit. Mehr dazu hier: https://uwg-lkos.de/4-stunden-limit-fuer-die-kreistags-sitzung/

Quellen:

1 www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Fehlende-Fachkraefte-Handwerker-Firma-geht-neue-Wege,fachkraeftemangel244.html

2 www.faz.net/aktuell/wirtschaft/so-viele-zuwanderer-braucht-der-deutsche-arbeitsmarkt-110134954.html

3 www.landkreis-osnabrueck.de/presse/pressestelle/pressemeldungen/63915-neue-fachkraefte-fuer-den-landkreis-osnabrueck-film-zeigt