Abschiebungen: Die Kreistags-CDU macht mit markigen Worten wie „entschlossenes Handeln“ seit dem 6. September auf ihrer Facebook-Seite die zügige Rückführung abgelehnter Asylbewerber und die „lokale Sicherheitslage“ zum Thema (1). Als UWG haben wir dazu Fragen über Fragen. Zum Beispiel: Warum setzte die CDU auf Stellenkürzung – statt mit mehr Personal dafür zu sorgen, dass zügige Abschiebungen auf jeden Fall sichergestellt sind? Und die „lokale Sicherheitslage“: Warum interessierte sich die CDU dafür nicht ein einziges Mal – trotz mehrfacher Gelegenheiten?
Alle Quellen-Hinweise von 1 bis 11 am Schluss dieses Berichts.
CDU-Priorität: Stellenzuwachs begrenzen.
Wichtig zu wissen: Die von der CDU geführte Kreistags-Kooperation stellt die Mehrheit – im Kreistag wie auch im Fachausschuss für Feuerschutz, Integration und Ordnung. Dieser Ausschuss ist auch zuständig für das große Thema Migration. Am 14. Juni letzten Jahres fragte der Kreistags- und Landtagsabgeordnete Christian Calderone (CDU) in diesem Ausschuss, ob die Kreisverwaltung in Sachen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichend personell aufgestellt sei (2). NEIN, war die Antwort. Eine Überraschung kann das Nein nicht gewesen sein, denn mehr Personal hatte die Verwaltung erst wenige Monate zuvor (im Februar) gefordert. Was sie für erforderlich hielt, auch zur Sicherstellung der Arbeit der Ausländerbehörde, bekam sie nicht. Verantwortlich dafür: Die CDU-geführte Mehrheits-Kooperation.
„Erschütternde Vorfälle“ gab es auch schon in den Jahren zuvor. Trotzdem eine Reduzierung
Mit Datum 6. September ist jetzt bei der Kreistags-CDU zu lesen, anlässlich der „erschütternden Vorfälle der letzten Wochen und Monate“ sei es wichtig, „dass wir uns als Landkreis unserer Verantwortung stellen und bestehende Probleme bei der Rückführung ausreisepflichtiger Personen gezielt angehen.“ Frage: Warum wurde dann nicht in 2023 das geforderte Personal bewilligt? „Erschütternde Vorfälle – islamistische Anschläge – gab es auch schon vor den diesjährigen Taten. Allein vier zwischen 2020 und 2023. Trotzdem wurde eine beantragte Stelle im allgemeinen Aufenthaltsrecht nicht bewilligt. Als Hauptverantwortliche dafür wollte sich die CDU nicht einmal einer Aussprache stellen.
Nicht bereit, „sich inhaltlich mit den Stellenzuwächsen auseinandersetzen“. Allein der Ukraine-Krieg ab 2022 führte zur Aufnahme von mehr als 4.000 Schutzsuchenden im Landkreis. Im Februar 2023 wurde der Stellenplan des Fachdienstes Ordnung in den Feuerschutz-Ausschuss eingebracht. „Die Stellenanmeldungen in der Ausländerabteilung“, sagte Fachdienstleiter Volker Trunt, würden sich „im Wesentlichen durch Fallzahlensteigerungen in der Ausländerabteilung begründen“. Mehr gibt das Protokoll dazu nicht her, denn für die CDU lehnte Ilka Pötter jegliche Debatte darüber in diesem Fachausschuss ab. Dem Widerspruch von Volker Beermann (SPD) war kein Erfolg beschieden. Er sagte: Man trage hier die Verantwortung für das Budget 05 Ordnung und solle sich deshalb auch inhaltlich mit den Stellenzuwächsen auseinandersetzen (siehe 4).
Aus der Verwaltung waren in der Februar-Sitzung anwesend: Kreisrat Wilkens, der Fachdienstleiter Ordnung Volker Trunt und Christian Hoff, der Leiter der Ausländerbehörde. Bei einer Aussprache hätten sie z.B. detailliert Auskunft darüber geben können, warum dem geforderten Stellenzuwachs in vollem Umfang zugestimmt werden sollte.
Gemessen an ihren aktuellen Facebook-Zeilen: Da die CDU einen Zusammenhang herstellt zwischen Anschlägen und Abschiebungen, hätte es ihre oberste Priorität sein müssen, dem von der Verwaltung geforderten Stellenzuwachs zuzustimmen.
Warum war die Sicherheitslage für die CDU bislang kein Thema?
Der Facebook-Text der CDU wirft weitere Fragen auf. So schreibt sie z.B.: Die Bürgerinnen und Bürger würden zu Recht erwarten, dass die Sicherheitslage ernst genommen wird. Frage: Warum war die Sicherheitslage für die CDU dann bislang kein Thema? Februar und Juni 2023, Januar 2024: Im Ausschuss für Feuerschutz, Integration und Ordnung hätte mehrfach die Gelegenheit bestanden, Sicherheitsfragen zu thematisieren.
Brachte die Kreistags-CDU die hiesige Sicherheitslage kurz nach dem Anschlag in Duisburg zur Sprache, als im Juni 2023 das Thema „Situation der Geduldeten im Landkreis Osnabrück – zwischen Chancen-Aufenthaltsrecht und Aufenthaltsbeendigung“ auf der Tagesordnung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung stand? Sie tat es nicht.
Sicherheitslage, ausreisepflichtige Straftäter, Austausch mit den Sicherheitsbehörden, Radikalisierung: Keine Beiträge, Fragen oder Verbesserungsvorschläge von der CDU.
Thematisiert wurde die Sicherheitslage auch nicht in der Sitzung zuvor (02/23) beim Thema „Überblick über die ausländische Bevölkerung im Landkreis Osnabrück“. Das gleiche gilt für die Ausschuss-Sitzung Anfang diesen Jahres (31. Januar).
„Problematische Entwicklungen in islamischen Gemeinden oder auch Einzelfälle von Radikalisierung“. Kein CDU-Interesse an Infos aus 1. Hand.
2024 stand in der Januar-Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung der 23-seitige Bericht zur Evaluation des Konzepts „Migration und Integration im Landkreis Osnabrück 2018 – 2022“ zur Debatte (siehe 5). Darin z. B. zu lesen: „Es erfolgt ein intensiver Austausch mit den Sicherheitsbehörden und der Stadt Osnabrück im Rahmen des Präventionsnetzwerkes „Präsenz“ gegen Radikalisierung im Hinblick auf bspw. problematische Entwicklungen in islamischen Gemeinden oder auch Einzelfälle von Radikalisierung. Ein weiterer Austausch mit den Sicherheitsbehörden und die Entwicklung von Maßnahmen erfolge anlassbezogen und im Rahmen weiterer Netzwerke.“
Austausch mit den Sicherheitsbehörden usw.: Lauter Stichwörter für Nachfragen zur „lokalen Sicherheitslage“. Die mit der Materie vertrauten Verwaltungs-Zuständigen waren anwesend: So Kreisrat Wilkens, der Fachdienstleiter Ordnung Volker Trunt und Christian Hoff, Leiter der Ausländerbehörde. Die Sicherheitslage, die aktuell ein Hauptthema für die CDU ist, hätte vertiefend behandelt werden können. Was nicht geschah.
CDU-Reaktion: Das Geld „hätte an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können“.
Von den 6 CDU-Mitgliedern meldete sich nur Ilka Pötter zu Wort. Sie brachte laut Protokoll zum Ausdruck, dass nicht erneut „in derartiger Tiefe“ berichtet werden solle und sagte, dass die dafür ausgegebenen Gelder „an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können“ (siehe 5).
Klarheit schaffen? Es wurde immer wieder über die Lage informiert.
Es müsse, sagt die CDU, Klarheit geschaffen werden über die Situation – was danach klingt, als hätte es daran bislang gefehlt. Festzuhalten ist jedoch: In mehreren Sitzungen des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung wurde in 2023 und 2024 umfassend informiert.
Man wolle keine Ängste schüren, sagt die CDU. Warum dann – ohne Begründung – die Eilbedürftigkeit einer Sondersitzung in den Herbstferien?
Am 4. Dezember findet die nächste reguläre Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung statt. Warum nun 6 Wochen vorher, am 10. Oktober, eine Sondersitzung des Ausschusses zur Beantwortung von CDU-Fragen zur Rückführungen von Asylbewerbern? Frage: Welcher Eindruck wird durch die scheinbare Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit erweckt? Da es an jeder CDU-Begründung dafür fehlt, werden Mutmaßungen befördert, es läge etwas arg im Argen im Landkreis – was kein Beitrag ist zum Abbau von Ängsten.
Herrschen hier besorgniserregende Zustände? Hendrik Wüst (CDU): „Ist nicht in den Kreisausländerämtern wegzuverwalten“.
Sicherheitslage, Straftäter, es müsse entschlossen gehandelt werden, Abschiebungen; sicherstellen, dass geltendes Recht angewendet wird: Es ist die Ballung triggernder Begriffe und Aussagen, durch die der Eindruck entsteht, es herrschten besorgniserregende Zustände im Landkreis. Bislang sah die Kreistags-CDU keinen Grund zur Besorgnis. Warum jetzt?
Vor welchen Abschiebe-Herausforderungen steht die Kreisebene bei Abschiebungen? Im Interview mit dem STERN (Nr. 36, 29.08.2024) beschreibt Hendrik Wüst, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, die vielen praktischen Probleme und Vollzugshindernisse und schließt da mit dem Satz: „Das Migrationsproblem ist nicht in den Kreisausländerämtern wegzuverwalten“.
Zahlen zu den letzten 10 Jahren: Welchen Erkenntnisgewinn verspricht sich die CDU davon?
Ihre Fragen, sagt die CDU per Facebook, „beziehen sich auf einen Zeitraum von 10 Jahren und decken u.a. die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen und die jährlich durchgeführten Abschiebungen ab“. Reine Zahlen sagen wenig aus. Warum ist z.B. die Zahl der Abschiebungen in einem Jahr hoch, in einem anderen Jahr geringer? Dafür kann es eine ganze Reihe von Faktoren geben, auf die die Ausländerbehörde keinen Einfluss hat.
So gab es z.B. am 14. Februar 2023 im Ausschuss für Feuerschutz, Integration und Ordnung die Information, dass sich die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen im Zeitraum 2017 bis 2022 verdoppelt hat“. Warum? „Wegen der langwierigen Verfahren beim Bundesamt, speziell der in 2015 und 2016 gestellten Asylanträge, und auch weil sich Ausreisen aufgrund der Corona-Pandemie verzögerten“.
Wird der Erkenntnisgewinn den Arbeitsaufwand rechtfertigen?
An alltäglicher Arbeit dürfte es der Ausländerbehörde nicht fehlen. 8 Fragen nach Zahlen, jeweils für die zurückliegenden 10 Jahre: Wenn der CDU-Text so zu verstehen ist, sieht das nach das einem beträchtlichen Arbeitsaufwand für die Zuständigen aus. Beim Personalanforderung in 2023 weggekürzt und auch bei der finanziellen Ausstattung (Zuschussbedarf um 2 % gekürzt): Allein schon wegen des Einsparungs-Kurses der CDU stellt sich die Frage, ob der Aufwand gerechtfertigt ist.
Noch liegt die – scheinbar rückwärtsgewandte – Anfrage nicht vor. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass der Erkenntnisgewinn für das Heute die Aufgabenstellung rechtfertigt – wie auch die Einberufung einer Sondersitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung.
Hier wie bundesweit: Mit welchen Augen schauen wir auf Menschen mit Migrationshintergrund? BILD titelte: „Diese Wahrheit gehört ebenfalls zur Geschichte“.
Für manchen erstaunlich, aber wahr: Im Mai diesen Jahres lieferte die BILD-Zeitung Lesenswertes. „Diese Wahrheit gehört ebenfalls zur Geschichte“ war die Überschrift zu einem Bericht, in dem auf die vielen Fälle aufmerksam gemacht wurde, in denen Menschen mit Migrationshintergrund bei Gewalttaten von Asylbewerbern eingriffen und Schlimmeres verhinderten.
Der BILD-Beitrag schließt mit den Worten: „Ohne Migration gäbe es diese Vorfälle gar nicht, werden Kritiker einwenden, außer Acht lassend, dass es ohne Migration auch viele andere, positive Dinge nicht gäbe. Und die Vorstellung einer „biodeutschen“ Gesellschaft, in der niemand dem Anderen ein Haar krümmt, hat mit der Realität wenig zu tun.“
Gewalttaten sind keine auf Asylbewerber zu beschränkende Herausforderung.
Die Kreistags-CDU spricht in ihrem Facebook-Eintrag von der Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger“. ALLER. Das ist so wichtig wie richtig, und daraus sollte sich ergeben, sauber zu unterscheiden und das ganze Bild zu sehen – um der ohnehin schon besorgniserregenden Feindseligkeit gegenüber Asylbewerbern und Menschen mit Migrationshintergrund keine neue Nahrung zu geben. Messergewalt zu bekämpfen, erfordert z.B. ganz andere Maßnahmen als der Kampf gegen islamistischen Terror. Auf der Tagesordnung bleiben muss zudem die Sicherheitsgefahr Rechtsextremismus.
Fast 3 Mio. Schutzsuchende/Asylbewerber seit 2015: Es geht immer um Menschen. Leider kein Livestream.
Kein Asylbegehren ist wie das andere, aber es geht immer um Menschen. Das gilt auch für Rückführungen/Abschiebungen. Hauptsache alle abschieben, die abgeschoben werden können, ob Straftäter oder gut integriert – sollte das die Maxime sein? Schieben wir die Falschen ab, ist durchaus aus guten Grund eine Frage, die immer wieder gestellt wird. Und das nicht allein aus humanitären Gründen. Wer arbeitet, wird dort, wo er oder sie arbeitet, auch gebraucht. Das zeigen die vielen Beispiele, über die in den Medien berichtet wurde und wird.
Als UWG-Fraktion bedauern wir auch mit Blick auf die anstehende Sondersitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung sehr, dass Ausschuss-Sitzungen nicht, wie von uns gewünscht, per Livestream übertragen werden.
Quellen und Hinweise:
1 www.facebook.com/cdu.fraktion.lkos
2 Protokoll Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung am 14. Juni 2023: https://kis.lkos.de/bi/___tmp/tmp/45081036/ZhnXt0H6MKMqOi3XEjdBNCgqI5RZLZPh0T8RNwIV/fDcunBPd/112298.pdf
3 Antrag-Nr.: EHH-34-2023, Quelle: https://kis.lkos.de/bi/___tmp/tmp/45081036/CsxsJLTs1SjadacBGkI2H6Da1yUFkwVlnCfg8GY6/AUCAosMs/12-Anlagen/06/Anlage_2-Beratungsliste.pdf
4 Protokoll Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung am 14. Februar 2023: https://kis.lkos.de/bi/___tmp/tmp/45081036/JX1YirjhgvrXiZ176CzoPRyw95jsm5MJo8wiQ8j9/HcalLQVC/109076.pdf
5 Protokoll Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung am 31. Januar 2024: https://kis.lkos.de/bi/___tmp/tmp/45081036/JX1YirjhgvrXiZ176CzoPRyw95jsm5MJo8wiQ8j9/cAjVPOaC/123505.pdf
6 Evaluationsbericht Migrations-Management: https://kis.lkos.de/bi/___tmp/tmp/45081036/BdaKzHpOiYnDFCSlFT0FftytO5YvEw9v7yGDXzWj/WbCIkBFe/18-Anlagen/01/attach_BCBE.pdf
7 google-search, www.haz.de/lokales/hannover/asylbewerber-in-niedersachsen-zahl-geht-2024-stark-zurueck-RZNGFAD7MNEDBIAIIC4G3SL6EQ.html
8 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76095/umfrage/asylantraege-insgesamt-in-deutschland-seit-1995/
9 https://www.landkreis-osnabrueck.de/fachthemen/migration-und-integration/beratung-und-hilfen/willkommensbehoerde/wir-ueber-uns
10 https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/rechtsextremismus/zahlen-und-fakten/zahlen-und-fakten_node.html
11 https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Schieben+wir+die+falschen+an