Sehr komplex: Allein das Thema Notärzte

Besteht eine Chance, die Schließung des Krankenhauses in Ostercappeln zu verhindern?

Wie würde sich die von den Niels-Stensen-Kliniken beschlossene Schließung auf die Gesundheitsversorgung im Landkreis auswirken, auf die Pflege-Situation, auf die Notfall-/Notarzt-Versorgung? Die Tagesordnung der gemeinsam tagenden Ausschüsse für Gesundheit sowie Feuerschutz, Integration und Ordnung zeigt die Komplexität der Thematik. Allein in Sachen Notärzte ist schon ein sehr dickes Brett zu bohren. Hier mehr dazu.

Blick ins Innere des Notarzt-Fahrzeugs in der Rettungswache in Ankum (Archivfoto von 2019). Derzeit gibt es, inklusive Ostercappeln, 7 Notarzt-Standorte im Landkreis Osnabrück. ©: rm

Was tun? Was könnte hier überhaupt getan werden? Es gibt keine einfachen Antworten.

2022 viel Protest gegen die Schließung des Marienhospitals in Ankum, nun die Niels-Stensen-Ankündigung, das Krankenhaus in Ostercappeln zu schließen: Kann hier im Landkreis überhaupt etwas getan werden und wenn ja was? Fakt ist: Die bisherige Krankenhaus-Finanzierung funktioniert nicht mehr und auch der Mangel an medizinischem Fachpersonal zwingt zu Reformen im Krankenhausbereich.

Warum Veränderungen notwendig sind: Zu den Begründungen des niedersächsischen Gesundheitsministeriums gehört auch, das der Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen den Versorgern schon heute zu schaffen mache – und das werde in den kommenden Jahren noch stärker werden. Screenshot Quelle und ©: https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/

Zur Lage der Dinge erwarten die Mitglieder der beiden Kreistagsausschüsse zunächst das Thema „Aktueller  Sachstand sowie rechtlicher Rahmen einer kommunalen Krankenhausfinanzierung“. Dem folgen Ausführungen des Experten Prof. Dr. med. Roeder unter dem Titel „Bundes-Krankenhausstrukturreform, Auswirkungen auf Niedersachsen und besondere Situation im Landkreis Osnabrück inkl. Bewertung des Medizinkonzeptes der Niels-Stensen-Kliniken“. Da ist viel Info-Stoff zu erwarten – um die Ausschussmitglieder dabei zu unterstützen, sich ein Bild von der Lage und möglicher Handlungs-Optionen zu machen.

Politik zu gestalten, ist mit viel Arbeit und oft schwierigen Abwägungen verbunden.

Rettungsdienst und Notarztversorgung sind weitere Themen der gemeinsamen Ausschuss-Sitzung. Im Folgenden wird es nur um die Notarzt-Versorgung gehen. Wer denkt, das sei doch ein sehr überschaubares Thema und relativ leicht abzuhandeln, der irrt. Es handelt sich, wie die entsprechende Vorlage der Verwaltung zeigt, ebenfalls um ein höchst komplexes Thema.

Notfall- und Notärzteversorgung, Katastrophenschutz insgesamt sind angesiedelt im Ausschuss für Feuerschutz, Integration und Ordnung, dessen Vorsitz Detert Brummer-Bange (UWG) inne hat. Hier mit einem neuen Fahrzeug der Kreisfeuerwehr. © uwg

Die Thematik, um die es bei der gemeinsamen Ausschuss-Sitzung geht, ist nur ein Beispiel dafür, dass Politik ein ausgesprochen arbeitsintensives und zumeist mit schwierigen Abwägungsentscheidungen verbundenes Geschäft ist – für das sich auf Kreisebene ehrenamtliche Politikerinnen und Politikern engagieren. Dass ein Notarzt oder eine Notärztin rechtzeitig zur Stelle war und ist, hat sicher auch im Landkreis Osnabrück schon so manches Mal über Leben und Tod entschieden. Wird es bei einer guten Versorgung bleiben?

Die Anzahl der Notarzt-Standorte im Landkreis steht möglicherweise zur Disposition.

Im Landkreis Osnabrück gibt es aktuell 7 Notarzt-Standorte. Dazu in der Vorlage zu lesen: „An 5 Standorten werden die Notärztinnen und Notärzte auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit durch die Niels-Stensen-Kliniken gestellt, am Standort Bramsche in Kooperation mit dem Verein AGPN. Daneben gelten inhaltsgleiche Vereinbarungen für die Standorte Ankum, Ostercappeln, Georgsmarienhütte-Harderberg sowie Melle. Der Standort Quakenbrück wird entsprechend einer Vereinbarung vom Christlichen Krankenhaus Quakenbrück mit notärztlichem Personal versorgt, in Bad Rothenfelde durch die Schüchtermann Klinik.“

Zweckmäßig bei der Rettungswache Ostercappeln ist die Anbindung an das Krankenhaus, weil das die Notärzte für den Rettungsdienst bereitstellt – voraussichtlich aber nur noch bis Ende 2025. Screenshot Quelle und ©: www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Notarzt-Standorte+Landkreis+Osnabr%C3%BCck

Derzeitige Kosten für die Notarzt-Versorgung: Gut 2 Mio. €.

Finanziert wird der Rettungsdienst und damit auch die Bereitstellung von Notärztinnen und -ärzten grundsätzlich durch die Kostenträger (gesetzliche Krankenkassen und Träger der gesetzlichen Unfallversicherung). Laut Vorlage hat der Kreistag „in seiner Sitzung vom 11. Dezember 2023 dem aktuellen Abschluss einer Entgeltvereinbarung für das Jahr 2024 mit den Krankenkassen zugestimmt. Im Zuge dieser Vorlage wurde ausgeführt, dass „2.027.000 € auf die Personalaufwendungen der Notärzte entfallen“. Diese Aufwendungen werden auf Basis der o.g. Verträge auf die Kliniken verteilt.“ Nun melden mehrere Kliniken jedoch beträchtlichen Mehrbedarf an.

Mehrere Kliniken beklagen eine Unterfinanzierung und wollen mehr Geld. Ein Defizit von 1,5 Mio. € pro Jahr.

Die Geschäftsführung der Niels-Stensen-Kliniken spricht für 2023 von einer Unterfinanzierung von rund 900.000 Euro und für 2024 von voraussichtlich 1 Mio. Euro. Diese Unterfinanzierung bei den Personalaufwendungen des notärztlichen Personals sei aufgrund der schwierigen finanziellen Situation der NSK-Kliniken „nicht länger tragbar“.

Auch das Christliche Krankenhaus Quakenbrück zeigte erhöhte Aufwendungen an und hat für 2023 einen Fehlbetrag von gut 370.000 € geltend gemacht und für 2024 von voraussichtlich 538.000 €. Auch die Schüchtermann Klink in Bad Rothenfeld weist seit Jahren auf die schwierige Finanzierung hin. „Nach den bisherigen Daten der Kliniken“, so der Landkreis, „ist davon auszugehen, dass insgesamt ein jährliches Defizit von über 1,5 Mio. € durch die Vertragspartner geltend gemacht wird.“ Werden die Krankenkassen zahlen? Stellen sie Bedingungen?

Wenn auch ein Notarzt zu einem Rettungseinsatz mit ausrücken muss, kann es um Leben und Tod gehen. Hier ein Notarzt-Fahrzeug in den Rettungswache in Ankum (Archivfoto von 2019). Quelle und ©: rm

Eine zu hohe Notarzt-Versorgungsdichte?

Der Landkreis verhandelt laut Vorlage mit den Krankenkassen. Das erste Gespräch sei Ende Februar unter Federführung der Landrätin auf höchster Ebene mit Vertretern der AOK Niedersachsen sowie den Vertretern des Verbandes der Ersatzkassen (VdEK) erfolgt.

Die Anzahl der Notarzt-Standorte im Landkreis Osnabrück war den Krankenkassen bereits Ende der 1990-er Jahre ein Dorn im Auge. Das Thema kam nun bei dem Februar-Gespräch wieder aufs Tapet. Laut Landkreis-Vorlage erfolgte „in diesem Zusammenhang durch die Kostenträger mehrfach der Hinweis, dass es im Landkreis Osnabrück insgesamt 7 Notarztstandorte gäbe und dies im Vergleich mit anderen Landkreisen aus Sicht der Kostenträger eine hohe Versorgungsdichte bedeute.“

Was die aktuellen und zukünftigen Entgelte angeht, ist noch alles offen. Wie werden sich die Kliniken verhalten?

Ob es bei der Notarzt-Versorgung zu einer Einigung mit den Krankenkassen kommt und wie die dann aussieht, ist noch nicht absehbar. Würden die Krankenkassen z. B. auf einem Gutachten zur Struktur der Notarzt-Standorte im Landkreis bestehen und sich auch die Schiedsstelle, die im Konfliktfall eingeschaltet werden kann, dafür aussprechen, käme auch der Kreistag in Spiel. Wenn der ein Gutachten nicht für notwendig erachtet, stellt sich die Frage: Was dann? Ggf. käme die Übernahme der erhöhten Aufwendungen aus Kreismitteln in Betracht – wenn denn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen werden können.

Bei der Auseinandersetzung um eine auskömmliche Finanzierung der Aufwendungen für die Notarzt-Stellung könnte auch eintreten, dass Krankenhäuser bestehende Verträge kündigen. Die Verwaltung bringt da ins Spiel zu prüfen, ob „proaktiv Gespräche aufgenommen werden dürften“.

Einsatz! Von großer Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger: die Rettungswachen. Leistungserbringer sind Rettungsdienstleister wie zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser, Johanniter oder andere. Die Notärzte stellen hier Krankenhäuser. Quelle und ©: rm

Und was ist mit den Defiziten? Krankenkassen zu 2023: Keine rückwirkende Finanzierung.

Dazu ist in der Vorlage der Verwaltung zu lesen: „Im Hinblick auf die Situation der Beträge aus 2023 gibt es grundsätzliche vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Landkreis Osnabrück und den Kliniken, welche die Erstattungen regeln. Demnach wird der Betrag erstattet, welchen der Landkreis Osnabrück von den Kostenträgern (Krankenkassen) zur Verfügung gestellt bekommt, aufgeteilt auf Basis der jeweiligen Einsatzzahlen an den einzelnen Standorten“. Die Krankenkassen hätten deutlich gemacht, dass eine rückwirkende Finanzierung aus ihrer Sicht nicht denkbar ist.

Rechtliche Fragestellungen klären. Bereitschaft signalisiert für Defizite 2024.

Soll der Landkreis die Defizite 2023 übernehmen? Dazu heißt es in der Vorlage: „Im Hinblick auf die angemeldeten Forderungen für 2023 müsste eine externe Prüfung erfolgen, inwieweit eine solche Übernahme des Defizits durch den LK OS erfolgen darf. In diesem Zusammenhang wären verschiedene (vertrags- und haushalts-) rechtliche Fragestellungen zu klären.“ Auch in dieser Sache ist also noch so manches offen. Was die Defizite 2024 angeht: Da wurde laut Landkreis von den Krankenkassen „grundsätzlich die Bereitschaft signalisiert, dass durch den Landkreis Osnabrück die Fehlbeträge in die Entgeltverhandlungen 2024 mit eingebracht werden können“.

Käme der Landkreis durch eine Unterstützung des Krankenhauses in Ostercappeln in den strafrechtlichen Bereich? Das könnte sein – ist eines der Ergebnisse einer Prüfung durch die Kanzlei Rödl & Partner (Ausschussvorlage VO/2024/183). Screenshot Quelle und ©: https://kis.lkos.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=3189

Dürfte der Landkreis überhaupt? Könnte er, sollte er, würde es Sinn machen? Viele offene Finanzierungsfragen.

Der Landkreis soll die – zumeist hohen Millionen-Summen – zuschießen, damit ein Krankenhaus nicht geschlossen wird, ist immer wieder mal zu hören. Das sagt sich so  leicht. Dem entgegen steht nicht nur die Frage, was an Finanzierungsunterstützung bei welchem Problem überhaupt geleistet werden dürfte. Es stellt sich auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit. In dieser insgesamt noch sehr unübersichtlichen Lage zur Zukunft einzelner Krankenhäuser vermag z. B. niemand verläßlich zu sagen, ob ein Krankenhaus, nachdem z. B. 3 Jahre lang mit hohen Steuerzahler-Millionensummen Defizite ausgeglichen wurden, danach nicht doch noch geschlossen wird. Ob Krankenhaus oder Notarzt-Versorgung: Bei den derzeit zahlreichen offenen Fragen und Debatten dazu hätten wir uns als UWG-Fraktion maximale Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gewünscht. Dem ist jedoch nur bedingt so.

Kreistag: Die Plätze der Gruppe SPD/UWG im Sitzungssaal. Blau markiert sind die Plätze der vier Mitglieder der UWG-Fraktion. Screenshot Quelle und ©: https://www.landkreis-osnabrueck.de/politik/politik/kreistag-buergerinformationssystem

Am 26. August: Kreistagssitzung mit Livestream. Leider keine Livestream-Transparenz bei der Ausschuss-Sitzung.

Wäre es nach uns als UWG-Fraktion sowie als Gruppe SPD/UWG gegangen, gäbe es längst auch Livestream-Übertragungen von Ausschuss-Sitzungen. Unsere Vorstöße scheiterten bislang bereits mehrfach an der CDU-geführten Kreistagsmehrheit. Die Gesundheitsversorgung und insbesondere  auch die Schließung von Krankenhäusern bewegt Bürgerinnen und Bürger sehr. Aus gutem Grund, denn es betrifft uns ganz direkt.

Eine Livestream-Übertragung der Ausschuss-Sitzung vom 15. August hätte einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, den Bürgerinnen und Bürgern Informationen zu vermitteln, um sich ein Bild davon machen zu können, welche Handlungsspielräume der Landkreis und die Kreistagspolitiker überhaupt haben und wie sie sie nutzen könnten oder wollen. Kreistagssitzungen werden per Livestream übertragen. Es ist davon auszugehen, dass das auch auf die Sitzung 26. August zutreffen wird.