6 Abschiebungen in 2023, gegenwärtig keine „ausländischen Gefährder bekannt“: Die CDU fragte – und bekam Antworten vom Landkreis, so zur Anzahl der Abschiebungen und der Ausreisepflichtigen seit 2014. Diese Abfrage von Zahlen geht jedoch am Kern der Sache vorbei. Stichwort: Abschiebe-Hemmnisse. Hier unser UWG-Bericht zu den Ausführungen von Landrätin Anna Kebschull zur CDU-Anfrage.

Eine Sondersitzung „spätestens bis zum 10.10.2024“: War Gefahr im Verzug?
„Konsequente Rückführung von Straftätern – Anfrage im Kreistag soll Antworten liefern!“ ist seit dem 6. September auf der Facebook-Seite der Kreistags-CDU zu lesen. Wegen ihrer Anfrage vom 30. August forderte sie wenige Tage später zudem eine Sondersitzung „spätestens bis zum 10.10.2024“ des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung. Warum? War etwa Gefahr im Verzug, wie der Hinweis auf Straftäter nahelegen könnte? Als UWG haben wir die Frage nach dem Warum (und noch viele andere mehr) bereits im Vorfeld gestellt. Die beantragte Sondersitzung fand am 10. Oktober statt. Eine erste Erkenntnis: Es gab nichts, was man nicht auch in der nächsten regulären Ausschuss-Sitzung hätte besprechen können.

„Wiederholt informiert“.
Zur Anfrage an den Landkreis ist zunächst festzuhalten: Die Kreistags-CDU weiß seit mindestens gut einem Jahr, warum die große Mehrzahl der ausreisepflichtigen Personen im Landkreis nicht abgeschoben werden kann. Die Verwaltung habe „wiederholt über die aktuelle Situation der ausländischen Bevölkerung informiert“, u.a. „über die Situation der Geduldeten im Landkreis“, lautet denn auch der erste Satz des Antwort-Schreibens an die CDU.

Der Landkreis muss sich an Recht und Gesetz halten.
Dass viele Menschen nicht abgeschoben werden können, ist natürlich nicht nur im Landkreis Osnabrück so. Jeder Landkreis muss sich an die geltenden Gesetze und Vorschriften halten. Hindernisse, die einer Abschiebung entgegenstehen, können auf Landkreisebene im Wesentlichen weder beseitigt noch ge- oder verändert werden.
Warum fragte die CDU dann nur nach reinen Zahlen, beginnend damit, wie viele Ausreisepflichtige es pro Jahr gab (seit 2014) und wie viele Personen jeweils abgeschoben wurden? Die ganz und gar nicht überraschenden Zahlen dazu lauten z. B.: In 2014 waren es 262 Ausreisepflichtige, 1 Person wurden abgeschoben. 2023 waren es 413 Ausreisepflichtige, 6 wurden abgeschoben. Warum nur 6? Die Antwort: Wenn Abschiebe-Hindernisse bestehen, kann nicht abgeschoben werden. So einfach – und so schwierig – ist das.

413 zu 6, Gefährder, straffällig Gewordene: Bei Missbrauch Stoff für Stimmungs-Kampagnen.
413 Ausreisepflichtige, aber nur 6 Abschiebungen; 20 Straftäter, bei denen eine „Abschiebung aus diversen Vollstreckungshindernissen ausgesetzt“ ist: Mit solchen Zahlen kann nur zu leicht Missbrauch betrieben und eine Stimmungs-Kampagne vom Zaun gebrochen werden. Wenn das nicht gewollt ist, dürfen die entscheidenden Information nicht fehlen: die Informationen zu den bestehenden Abschiebe-Hindernissen.

Die Fragestellung ist kein Beitrag zu „einer sachlichen und verantwortungsbewussten Auseinandersetzung“.
Dass die Kreistags-CDU nur reine Zahlen abfragt, weckt Zweifel daran, dass ihre Aktion ein Beitrag sein soll zu, wie sie sagt, „einer sachlichen und verantwortungsbewussten Auseinandersetzung“. Der Grund für unsere Zweifel: Eine sachliche Auseinandersetzung setzt umfassende Informationen voraus. Und zwar zu den vielen Gründen dafür, dass nicht abgeschoben werden kann. Hätte sich der Landkreis bei seiner Antwort nicht ausführlich dazu geäußert, hätte es an der notwendigen Grundlage für eine verantwortungsbewusste Behandlung des Thema Abschiebungen gefehlt.

3 ½ Seiten Zahlen – und 6 Text-Seiten zum Kern des Sache.
Um das Wissen bei all‘ denjenigen aufzufrischen, bei denen vorherige Informationen zu Abschiebungen, Abschiebe-Hindernissen, Ausweisungen usw. in Vergessenheit geraden sind, bietet die Landkreis-Antwort an die CDU nun seitenweise Nachhilfeunterricht. Das Landkreis-Schreiben erweitert dabei den bisherigen Informationsstand um ausführliche und anschauliche Schilderungen zur Arbeit der Ausländerbehörde und zu deren Spektrum der Aufgaben. Die Erläuterungen sind auch eine gute Information für Bürgerinnen und Bürger.
Allein die Anforderung von Sicherheitsbegleitung kann eine Abschiebung verhindern.
Es gibt eine Vielzahl von Abschiede-Hindernissen, und die sind sehr unterschiedlicher Natur. Wie Gerichtsurteile zeigen, stehen z.B. Recht und Gesetz so mancher Abschiebung entgegen. Ein ganz anderer Grund für das Scheitern mancher Abschiebung: Es wird Personal benötigt.

Das Beispiel der Verwaltung dafür: Passersatzpapiere werden von manchem Herkunftsstaat nur für eine kurze Dauer (8 Wochen) ausgestellt. „Während dieser Zeit ist eine Abschiebung tatsächlich aufgrund der hohen personellen Kapazitäten, welche für eine Abschiebung erforderlich sind – u. a. die Vollzugskräfte (Landesaufnahmebehörde, Landespolizei) sowie im Einzelfall medizinische Begleitung (Arzt) und/oder Sicherheitsbegleitung (Bundespolizei) – nicht umsetzbar. Allein die Anforderung von Sicherheitsbegleitung durch die Bundespolizei am Flughafen Frankfurt am Main erfordert bereits eine Vorlaufzeit von 8 Wochen“.

Der Attentäter von Solingen: Infos auch zum komplexen Prozess der Rückführung ins eigentlich zuständige EU-Land.
Der Attentäter von Solingen, der im August seinen grauenvollen Anschlag verübte, hätte nach den „Dublin-Regeln“ nach Bulgarien geschickt werden können, denn dort war der Syrer zuerst registriert worden. Aber was so einfach klingt, hat es ebenfalls in der Praxis in sich – wie die Ausführungen des Landkreises zeigen.

In großem Stil abschieben? Das ist reiner Populismus. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.
Dass Ansagen wie ,es müsse jetzt in großem Stil abgeschoben werden‘ reiner Populismus sind, zeigt die komplexe Realität. Wettern, zetern, hetzen: Das geschieht Tag für Tag über die neuen Internet-Medien. Dem über X, Twitter etc. etwas entgegenzusetzen, ist kaum möglich, denn dort ist keinerlei Raum für eine qualifizierte Argumentation. Abschiebe-Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, ist aktuell ein großes Thema. Es gibt jedoch eine rote Linie: Artikel 1 des Grundgesetzes in Kombination mit dem Völkerrecht und den Menschenrechten.

Was scheren uns Menschenrechte? Hauptsache wir sind sie los? Menschenwürde: Stopp-Schild des Verwaltungsgerichts Arnsberg.
Die bei Debatten zu beobachtende massive Fixierung auf Kriminelle unter den Asylbewerbern befördert Angst, in Aggression umschlagende Wut und schließlich die Haltung: Weg mit möglichst vielen Ausländern – um jeden Preis, Hauptsache, wir sind sie los. Damit schwindet auch in erschreckendem Ausmaß die Akzeptanz für Gerichtsentscheidungen wie das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom Februar diesen Jahrs, auf das die Landkreis-Verwaltung in seiner Antwort auf CDU-Fragen verweist.

Keine Abschiebung nach Belgien wegen Gefahr für die Menschenwürde („drohende Obdachlosigkeit“ z.B., „extreme materielle Not“), entschied das Verwaltungsgericht Arnsberg. Wie ist es um die Akzeptanz eines solchen Urteils bestellt? Auf dem Vormarsch ist eher die Haltung, was schert uns die Menschenwürde. Irritierend in diesem Zusammenhang: Dass auch bei Vertretern von Parteien mit dem „C“ für christlich im Namen die Würde des Menschen und damit der Kern des christlichen Menschenbilds als Leitlinie des Handels scheinbar völlig aus dem Blick geraten ist. Unsere UWG-Haltung: Wir alle sollten uns mehr denn je dafür engagieren, den Grundwerten unseres Miteinanders die gebotene Geltung zu verschaffen.
„Vollstreckungshindernisse einer Abschiebung sind rechtlicher oder tatsächlicher Art, die dazu führen, dass eine Abschiebung nicht durchgeführt werden kann“.
Damit sich jeder selbst ein Bild von der Komplexität der Thematik machen kann, veröffentlichen wir im Folgenden die Ausführungen des Landkreises zu Abschiebungen, Überstellungen nach der Dublin III-Verordnung, zu Ausweisungen und zur Verlustfeststellung (Quelle und ©: Landkreis Osnabrück). Die Zahlen vor den Absätzen (1., 2., 3. usw.) sowie die Fettungen in den Absätzen wurden von uns hinzugefügt.
1. „Für den Fall, dass eine freiwillige Ausreise nicht beabsichtigt ist, ist die Ausländerbehörde verpflichtet, die Ausreisepflicht zwangsweise zu vollstrecken. In den wenigsten Fällen ist eine Vollziehung der Ausreisepflicht mit wenig Aufwand umzusetzen. Damit eine Abschiebung überhaupt eingeleitet werden kann, darf kein Vollstreckungshindernis gegeben sein.
2. Vollstreckungshindernisse einer Abschiebung sind rechtlicher oder tatsächlicher Art, die dazu führen, dass eine Abschiebung nicht durchgeführt werden kann. Diese Hindernisse können temporär oder dauerhaft bestehen und verhindern, dass eine Person in ihr Herkunftsland oder einen Drittstaat zurückgeführt wird. Eines der häufigsten praktischen Hindernisse ist das Fehlen gültiger Reisedokumente (wie z.B. Reisepässe oder Passersatzpapiere). Für den Fall, dass die Personen freiwillig nicht bereit sind, Reisedokumente vorzulegen, ist die hiesige Behörde angehalten, langwierige Passersatzpapierbeschaffungsverfahren durchzuführen.
3. Diese setzen in der Regel mehrmalige Vorführungsmaßnahmen bei Delegationen der jeweiligen konsularischen Vertretung voraus. Diese Anhörungsmaßnahmen werden durch die hiesige Behörde angeordnet und in Amtshilfe durch die Landesaufnahmebehörde oder Polizei vollstreckt. Wenn ein Herkunftsland die Ausstellung eines Passersatzpapiers im Anschluss verweigert oder verzögert, kann die Abschiebung nicht durchgeführt werden, da eine Einreise in den Zielstaat ohne dieses Ausreisedokument nicht möglich ist.
4. Für den Fall, dass ein Passersatzpapier ausgestellt wird und eine Abschiebung eingeleitet werden kann, bedeutet dies in der Praxis nicht, dass die Abschiebung tatsächlich erfolgreich vollzogen werden kann. Die Passersatzpapiere werden von den jeweiligen Herkunftsstaaten, je nach Staat, teilweise nur für eine kurze Dauer (8 Wochen) ausgestellt. Während dieser Zeit ist eine Abschiebung tatsächlich aufgrund der hohen personellen Kapazitäten, welche für eine Abschiebung erforderlich sind – u. a. die Vollzugskräfte (Landesaufnahmebehörde, Landespolizei) sowie im Einzelfall medizinische Begleitung (Arzt) und/oder Sicherheitsbegleitung (Bundespolizei) – nicht umsetzbar. Allein die Anforderung von Sicherheitsbegleitung durch die Bundespolizei am Flughafen Frankfurt am Main erfordert bereits eine Vorlaufzeit von 8 Wochen.
5. Auch ist ein Antreffen unter der gemeldeten Anschrift der Person im Falle einer Abschiebung in der Regel – trotz angeordneter nächtlicher Anzeigepflicht – nur in ca. jedem zweiten Fall erfolgreich. Die Anzeigepflicht meint, dass der Ausreisepflichtige bei beabsichtigten Aufenthalten außerhalb seiner Unterkunft/Wohnung im Zeitraum von Montag bis Freitag zwischen 00:00 Uhr bis 07:00 Uhr, dies gegenüber der hiesigen Behörde anzeigen muss. Dies kann persönlich durch Vorsprache in der Ausländerbehörde, alternativ per Telefon, per Fax oder per E-Mail erfolgen. Bei kurzfristiger (spontaner) Abwesenheit hat der Ausreisepflichtige eine schriftliche Nachricht, ebenfalls unter Angabe des Aufenthaltsortes, im Eingangsbereich der Wohnung (z. B. an der Eingangstür) zu hinterlassen. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht stellt eine Fluchtgefahr im Sinne des § 62 Abs. 3a Nr. 3 AufenthG dar und ermöglicht im Falle eines weiteren Versuchs die Stellung eines Abschiebungshaftantrages.
6. Für den Fall, dass die Person angetroffen wird und keine Sicherheitsbegleitung für die Abschiebung angemeldet wurde, kann die Situation eintreten, dass, bedingt durch ein auffälliges Verhalten der Person, eine Mitnahme im transportierenden Flugzeug durch den Piloten verweigert wird. Die Anforderung einer Sicherheitsbegleitung ist jedoch beim ersten Versuch nur bei einschlägig vorbestraften Personen möglich. In der Praxis bedeutet dies, dass beim ersten Versuch keinerlei Zwangsmittel eingesetzt werden dürfen und die Abschiebung scheitern kann. Ein weiterer Abschiebeversuch unter der gleichen Anschrift ist in der Regel nach einer fehlgeschlagenen ersten Maßnahme nicht mehr zielführend, da die Personen in einigen Fällen zunächst für längere Zeit untertauchen und einen Zugriff für die Behörde unmöglich machen.
7. Im Falle des Untertauchens einer ausreisepflichtigen Person ist die hiesige Behörde angehalten, die Person zur polizeilichen Fahndung auszuschreiben. Sollte die Person im Anschluss in einer polizeilichen Kontrolle angetroffen werden, ist die hiesige Behörde verpflichtet, innerhalb kürzester Zeit (24 Stunden ab Festnahme) zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Stellung eines Haftantrags vorliegen. Sollten die Voraussetzungen vorliegen, ist dieser Haftantrag unmittelbar – am selben Tag (innerhalb der 24 Stunden) beim zuständigen Amtsgericht zu stellen. Für den vorgenannten Beispielfall (Passersatzpapier mit einer Gültigkeit von 8 Wochen) würde dies bedeuten, dass eine Abschiebehaftantragstellung nur möglich wäre, wenn eine Abschiebung innerhalb der gesetzlich vorgesehen Abschiebehaftdauern auch tatsächlich möglich ist. Sollte bei dem Fall das zuvor genannte Passersatzpapier bereits abgelaufen sein und die Ausstellung eines neuen Passersatzpapiers in der Regel eine Vorlaufzeit von 12-24 Monaten voraussetzen, ist eine Inhaftnahme ausgeschlossen.
8. Neben den genannten Passersatzpapieren können auch weitere kumulativ vorliegende Duldungsgründe vorliegen (Straftaten erfordern das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft, Krankheiten erfordern eine amtsärztliche Stellungnahme, familiäre Bindungen erfordern eine Stellungnahme des Jugendamtes – all diese Stellungnahmen erfolgen nur auf schriftlichen Auftrag der hiesigen Behörde). Aufgrund des zuvor geschilderten kleinen Auszugs aus dem Alltag der Mitarbeiter in der Ausländerbehörde dürfte zu erkennen sein, welch umfangreiche Arbeit mit der Vollstreckung einer Abschiebung verbunden ist.“
„Überstellung nach der Dublin III-Verordnung“.
„Neben der Abschiebung in das jeweilige Herkunftsland ist in Einzelfällen eine Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung einzuleiten. Die Dublin-III-Verordnung regelt, welches europäische Land für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Diese Verordnung soll verhindern, dass Asylbewerber in mehreren EU-Ländern Asylanträge stellen oder willkürlich das Land auswählen, in dem sie ihren Antrag bearbeiten lassen möchten.
1. Wenn festgestellt wird, dass ein anderes EU-Land (meist das Erstaufnahmeland) für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist, soll die Überstellung in dieses Land erfolgen. Dies wird als Dublin-Überstellung bezeichnet. In der Praxis bedeutet dies, dass eine Person von einem EU-Staat in einen anderen zurückgeführt wird, um dort das Asylverfahren zu durchlaufen.
2. Dublin-Überstellungen sind oft umstritten, da sie dazu führen können, dass Menschen in Länder zurückgeführt werden, die mit der Aufnahme von Asylsuchenden stark belastet sind oder wo die Bedingungen für Asylbewerber schlecht sind. Deswegen sind einige Überstellungen wie zum Beispiel nach Italien und Belgien wegen systematischer Mängel bei der Unterbringung derzeit ausgeschlossen. Zu den jeweiligen Verhältnissen informiert das Niedersächsische Innenministerium ca. alle 14 Tage im Rahmen von Lagemeldungen. Neben den Lagemeldungen des Landes ist aufgrund der dynamischen Änderungen in den jeweiligen Zielländern – wie z. B. bei Überstellungen nach Belgien – auch die aktuelle Rechtsprechung zu beachten (VG Arnsberg, Beschluss vom 09.02.2024 – 6 L 4213).
3. Die Durchführung einer Überstellung bringt ähnliche Schwierigkeiten mit sich wie die Durchführung einer Abschiebung. Damit eine Überstellung überhaupt eingeleitet wird, müssen verschiedene Voraussetzungen vorliegen. Für die Prüfung, ob ein Asylgesuch bereits in einem anderen EU-Staat geäußert wurde, ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Das Bundesamt ermittelt zunächst durch eine erkennungsdienstliche Behandlung (Fin-gerabdruckabnahme, etc.), ob ggfs. ein anderer EU-Staat zuständig ist. Im Falle einer Übereinstimmung würde ein sog. EURODAC-Treffer generiert. Für diesen Fall ist das Bundesamt angehalten, den Asylantrag als unzulässig abzulehnen (§ 29 Abs. 1 AsylG) und anschließend ein Gesuch an den jeweiligen zuständigen EU-Staat zu richten. Sollte das Gesuch positiv beantwortet werden und sich ein EU-Staat zur Rückübernahme verpflichten, teilt dieser EU-Staat dem Bundesamt Überstellungsmöglichkeiten mit, welche u.a. Modalitäten zur Ankunftszeit im Zielland beinhalten können.
4. Mit der Mitteilung der Überstellungsmöglichkeiten durch das Land beginnt das hiesige Team Asyl und Aufenthaltsbeendigung mit der Prüfung, ob eine Überstellung tatsächlich eingeleitet werden kann. Zunächst ist die hiesige Behörde angehalten inlandsbezogene Abschiebehindernisse zu prüfen. Positiv ist bei Dublin-Überstellungen hervorzuheben, dass keine Reisepapiere durch den Ausreisepflichtigen vorgelegt werden müssen und demnach das Ausrei-sehindernis „fehlende Reisedokumente“ bei Dublin-Fällen ausgeschlossen ist. Für die Ausstellung von Reisedokumenten ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig, dies erfolgt in der Regel nach Mitteilung des Ausreisetermins, kurz vor dem Überstellungstermin. Nichtsdestotrotz sind bei Dublin-Fällen ebenfalls u. a. die Reisefähigkeit und das Vorliegen laufender Strafverfahren zu prüfen und die Einholung dieser Ergebnisse hat innerhalb von kürzester Zeit zu erfolgen.
5. Schwierigkeiten stellen Dublin-Überstellungen u. a. wegen der im Gegensatz zu Abschiebungen verhältnismäßig kurzen, vorgegebenen Überstellungsfristen (6 Monate – unter bestimmten Voraussetzungen verlängerbar bis zu 18 Monaten) sowie der vorgegebenen Überstel-lungmodalitäten der jeweiligen Herkunftsstaaten dar. Diese Kombination macht eine tatsächliche Überstellung und Terminierung in vielen Fällen fast unmöglich.
6. Für den Fall, dass eine Person tatsächlich überstellt wird, besteht aufgrund bisher zum Teil fehlender Grenzkontrollen innerhalb der EU eine hohe Wahrscheinlichkeit der erneuten un-mittelbaren Wiedereinreise in das Bundesgebiet. Die Wiedereinreise stellt zwar eine Straftat sowie einen Abschiebehaftgrund dar, in der Praxis ist z. B. im Beispiel einer überstellten Familie eine Inhaftnahme ausgeschlossen (§ 62 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Auch die eingeleiteten Strafverfahren werden nach erneuter Asylfolgeantragstellung eingestellt.“
„Ausweisung aus dem Bundesgebiet“.
„Neben den zuvor genannten Schwierigkeiten, die eine Abschiebung und Überstellung, also der Vollzug, mit sich bringen, stellt die Abschiebung nur einen Bruchteil des Aufgabenbereichs der Mitarbeitenden im gehobenen Dienst dar.
1. Einen Großteil der Aufgabenbewältigung im Team Asyl und Aufenthaltsbeendigung stellt der Erlass von Ausweisungsverfügungen dar. Bei der Ausweisung handelt es sich um einen feststellenden und belastenden Verwaltungsakt, der die Beendigung der Anwesenheit einer Person in Deutschland und die gleichzeitige Verweigerung einer Wiedereinreise sowie einer Aufenthaltserlaubnis bezweckt.
2. Die Ausweisungsverfügung richtet sich gegen Ausländer, deren Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige 2. erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Jede ausländische Person kann im Falle einer zuvor genannten Gefährdung ausgewiesen werden. Die hiesige Behörde befasst sich in diesem Zusammenhang neben kurzfristig eingereisten Personen, welche nur zum Zwecke der Begehung von Straftaten in das Bundesgebiet einreisen, auch mit Personen, welche sich bereits seit Geburt oder vielen Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Dies stellt u. a. Fallkonstellationen dar, in denen z. B. eine im Bundesgebiet geborene ausländische Person erheblich strafrechtlich in Erscheinung tritt und somit ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse verwirklicht.
3. Neben dem Ausweisungsinteresse, welches sich u. a. aus der Begehung von Straftaten ergibt, muss die hiesige Behörde die Bleibeinteressen der Person abwägen. Ein Bleibeinteresse kann z. B. die Geburt im Bundesgebiet, die Führung der familiären Lebensgemeinschaft zu einem im Bundesgebiet rechtmäßig lebenden Kind sowie weitere zuvor erbrachte Integrationsleistungen sein. Zur Prüfung des Kindeswohls würde in entsprechend gelagerten Fällen eine Anfrage ans Jugendamt gerichtet werden. Das Jugendamt würde anschließend eine umfassende Prüfung des Kindeswohls (nebst Prüfung der bisherigen Historie, Besuche der Familie, Gespräche mit der Schule etc.) beginnen. Solche Verfahren dauern in der Regel mehrere Jahre und erfordern die Zusammenarbeit zwischen vielen zu beteiligenden Behörden (Justizvollzugsanstalt, Jugendamt, Bewährungshelfer etc.).
4. Neben den zuvor genannten Verfahren ist das vorgenannte Team auch für die Bearbeitung aller Aufgriffsfälle der Polizei und des Hauptzollamtes im Einzugsgebietes des Landkreises Osnabrück zuständig. Hierbei handelt es sich in der Regel um Personen, die keinen Wohnsitz im Bundesgebiet besitzen, aber im Rahmen einer Aufgriffssituation durch eine der zuvor genannten Behörden in Erscheinung treten. Dies kann u. a. in Kontroll- oder Durchsuchungs-maßnahmen erfolgen. Meist handelt es sich um Personen, die gefälschte Ausweispapiere vorlegen und durch diese Vorlage zunächst einen legalen Aufenthalt gegenüber der Ausländerbehörde vortäuschen. Ähnlich gelagerte Fälle können u. a. Beschäftigte von ausländischen Subunternehmern sein, die u. a. keinen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäf-tigung im Bundesgebiet besitzen und sich nur zur Ausführung eines Bauvorhabens im Bundesgebiet aufhalten.
5. Diese Fälle gehören zum alltäglichen Geschäft der Mitarbeiter im Team Asyl und Aufent-haltsbeendigung und unterbrechen die Sachbearbeitung der zuvor genannten Fallgestaltungen (aktive Fälle mit Wohnsitz im Landkreis Osnabrück). Aufgrund des fehlenden Wohnsitzes ist eine kurzfristige Vorsprache bei der hiesigen Ausländerbehörde zwecks Anhörung zum Erlass der beabsichtigten Verfügung in jedem Fall erforderlich. Der Termin bei der hiesigen Behörde wird bereits bei der Kontrollsituation über die Polizei oder das Hauptzollamt an die Personen herausgegeben.
6. In der Regel werden die zuvor genannten Personen aufgrund der fehlenden Bleibeinteressen (§§ 53 i. V. m. 55 AufenthG) und der überwiegenden Ausweisungsinteressen (§§ 53 i. V. m. 54 AufenthG) ausgewiesen, ggf. zur Ausreise aufgefordert. Problematisch ist in diesem Zusammenhang oftmals, dass in den meisten Prüfsituationen der Polizei und des Hauptzollamtes mehrere Personen (zwischen 3-15 Personen) angetroffen werden. Bei den zuvor genannten Personen handelt es sich in der Regel um Fälle, die noch nicht im ausländerrechtlichen Bestand (Ausländerzentralregister) erfasst sind, sodass neben dem Erlass einer Ausweisungsverfügung auch das Erfassen der Personalien in kürzester Zeit durch die Mitarbeiter der Verwaltung erfolgt, was mit einem zusätzlichen hohen zeitlichen Arbeitsaufwand verbunden ist.
„Verlustfeststellung nach dem Freizügigkeitsgesetz“.
Des Weiteren ist das zuvor genannte Team für die Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechts von EU-Unionsbürgern aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuständig. Eine Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechtes richtet sich nach dem Freizügigkeitsgesetz und setzt ebenfalls eine umfangreiche Prüfung voraus. In der Regel muss für eine Verlustfeststellung im Gegensatz zum Erlass einer Ausweisungsverfügung eine erhebliche Freiheitsstrafe vorliegen. Bei EU-Bürgern, die sich bereits langfristig im Bundesgebiet aufhalten, darf eine Verlustfeststellung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht (§ 6 Abs. 5 Freizügigkeitsgesetz/EU).“