„Soziale Belange blieben auf der Strecke“

Energie-Härtefall-Fonds: abgelehnt. Soziale Hilfs- und Beratungsangebote stärken: abgelehnt. Die Gruppe SPD/UWG engagierte sich in der Kreistagssitzung am 10. Oktober mit 2 Anträgen dafür, die aus der Energiekrise resultierende soziale Krise abzufedern. Vergeblich. Mit der neuen Bündnis-Mehrheit aus CDU sowie Grüne/FDP/CDW wurde jedwede Notunterstützung von Seiten des Landkreises abgelehnt.

Die UWG-Fraktion mit Sebastian Gottlöber (Bildmitte), Detert Brummer-Bange (links) und Matthias Pietsch. Hier vor der Sitzung des Sozialausschusses am 6. September. © uwg.

Von der Kreistagssitzung, so die einhellige Meinung der UWG-Kreistagsfraktion, ging leider das Signal aus, dass die Mehrheit der Kreistagsmitglieder nicht bereit ist, in Not geratene Menschen in dieser besonders schweren und herausfordernden Zeit seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine zügig dringend benötige Unterstützung zukommen zu lassen.

Abgelehnt: Der Energie-Härtefall-Fonds.

Dass z.B. Geringverdiener, also Menschen, die Vollzeit arbeiten, aber mit wenig Geld nach Hause gehen, von den explodierenden Energiekosten und den starken Preissteigerungen bei Lebenswichtigem wie Lebensmitteln in Existenznöte geraten können und bereits geraten sind, ist seit Monaten bekannt. Wenn ein Haushaltsbudget bereits vor den drastischen Preiserhöhungen auf Kante genäht war, führen Mehrbelastungen schnell zu einer finanzieller Überbelastung oder gar zu einer existentiellen Krise. Zumal Geringverdiener in der Regel kaum Rücklagen haben, um länger durchhalten zu können.

Die Hans-Böckler-Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass Geringverdiener ganz besonders unter den steigenden Energiepreisen leiden. Quelle und ©: www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-geringverdienende-leiden-besonders-unter-steigenden-energiepreisen-41081.htm

„Wenn nicht zügig gehandelt wird, steuern wir auf eine gewaltige soziale Krise zu“.

Wer in eine Notlage gerät, soll damit im Landkreis Osnabrück nicht alleingelassen werden, sondern über einen Energie-Härtefall-Fonds Unterstützung erfahren – mit diesem Antrag ging die Gruppe SPD/UWG in die Kreistagssitzung. „Die Zeit drängt“, sagte Detert Brummer-Bange bereits vor einigen Wochen. „Wenn nicht zügig gehandelt wird, steuern wir auf eine gewaltige soziale Krise zu“.

Werner Lager (SPD) begründete in der Kreistagssitzung den Antrag der Gruppe SPD/UWG zum Energie-Härtefall-Fonds und warb um Zustimmung. Quelle: Screenshot Livestream.

In der Kreistagssitzung erinnerte dann Werner Lager (SPD) an die Menschen, die sich große Sorgen machen, ob sie ihre Rechnungen noch bezahlen können, und setzte sich dafür ein, jetzt mit der Einrichtung eines Härtefall-Fonds zu beginnen, um baldmöglichst Härtefalle unterstützen zu können. Es werde die Fälle geben, die dringend auf Unterstützung aus einem solchen Fonds angewiesen seien, und darum gelte es, vorbereitet zu sein. „Ja“, so Werner Lager, dass heißt: Geld ausgeben“. Und er sprach sich dafür aus, dass in diesen Krisenzeiten nicht nur Bund und Länder, sondern auch Landkreise „mit ins Boot“ genommen werden müssen.

Neue Sitzordnung: Auf ihren Wunsch hin rückte die Gruppe Grüne/FDP/CDW zur CDU. In dieser Kreistagssitzung saß sie erstmalig neben ihrem Bündnis-Partner CDU. Die UWG musste an den linken Rand rücken.

Gegen die Einrichtung eines Härtefall-Fonds sprachen sich CDU und Grüne aus.

Der Energie-Härtefall-Fonds sei „eine schöne Angelegenheit, die sich gut anhört“, so der CDU-Fraktionschef Johannes Koop, um dann zu warnen „keinen Schnellschuss zu machen“. Da sei das Risiko für den nächsten Haushalt des Landkreises viel zu groß. Abwarten, ob vom Land Niedersachsen etwas kommt, war dazu, wie von der CDU, auch von Rainer Kavermann, dem Fraktionsvorsitzenden der Gruppe Grüne/FDP/CDW, zu hören.

Etwa 2 Stunden nach Sitzungsbeginn sprach beim Tagesordnungspunkt 16 (Energie-Härtefall-Fonds) Detert Brummer-Bange. Quelle: Screenshot Livestream.

„Sendet ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger“. Das geschah nicht.

Weiter nur abwarten? Detert Brummer-Bange verwies in seinem Redebeitrag darauf, dass die Angst vieler Menschen vor nicht mehr zu bewältigenden Preisanstiegen Parteien am Rande in die Hände spielt, die diese Angst für ihre Zwecke instrumentalisieren. Er verwies zudem darauf, dass derzeit über Entlastungen bei Gas beraten wird. Es sei aber auch anderes wie das Heizen mit Pellets exorbitant teurer geworden. Sendet mit der Zustimmung zum Energie-Härtefall-Fonds „ein klares Signal an die Bürgerinnen und Bürger, die in der Angst leben, dass sie ihre Energiekosten nicht bezahlen können“, appellierte Detert Brummer-Bange an seine Kreistagskolleginnen und -kollegen. Sein Appell fruchtete nicht. Abgelehnt wurde nicht nur die Einrichtung eines Härtefall-Fonds, sondern auch ein weiterer Antrag der Gruppe SPD/UWG zu den Folgen der der Krisenlage.

Die sozialen Hilfs- und Beratungsangebote stärken: Als Punkt 6 der Tagesordnung wurde dieser SPD/UWG-Antrag aufgerufen. Quelle und ©: www.landkreis-osnabrueck.de

Ebenfalls abgelehnt: Der Antrag, die sozialen Hilfs- und Beratungsangebote zu stärken.

Weil die Energiekrise und die steigenden Lebenshaltungskosten die Nachfrage nach Beratung sprunghaft ansteigen ließen, stellte die SPD/UWG-Gruppe den folgenden Antrag: „Die Kreisverwaltung wird beauftragt, im Austausch mit den Trägern sozialer Hilfs- und Beratungsangebote Maßnahmen zu entwickeln, um kurzfristig auf den im Zuge von Energiekrise und Inflation gestiegene Beratungs- und Hilfebedarf reagieren zu können. Dabei sind auch mögliche Unterstützungsbedarfe zugunsten der Träger zu ermitteln.“ Auch diesem Antrag stimmte das Mehrheits-Bündnis CDU, Grüne/FDP/CDW nicht zu und machte damit deutlich: Auf Landkreis-Ebene haben Menschen, die schon seit Monaten kaum mehr in der Lage sind, die massiven Preissteigerungen auf breiter Front zu stemmen, keine Unterstützung zu erwarten.

Im Juli eine Preissteigerung um knapp 35% und nur wenige Monate später kommen zum 1. Dezember noch einmal 38% drauf: Wie bei EnBW steigen und steigen auch bei anderen die Preise und noch ist kein Ende in Sicht. Quelle und ©: www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/enbw-erhoeht-gaspreise-um-38-prozent-a-3a302d58-ad09-409b-b399-0495987fc8c7

Abgelehnt auch: Pflegestützpunkt in Melle und Wohnberatung fürs Wohnen im Alter.

Zur Abstimmung kam in der Kreistagssitzung auch ein SPD/UWG-Antrag mit dem Titel: „Maßnahmen zur Optimierung der Pflegesituation im Landkreis Osnabrück“, der auch zwei konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegesituation umfasste. Eine der Maßnahmen: „Der Pflegestützpunkt in Melle wird zeitnah eingerichtet“. Der Hintergrund: Eine Personalstelle für den Pflegestützpunkt in Melle war bereits eingerichtet worden. Aufgrund einer kurzfristig eingereichten „Streichliste“ konnte auch die Arbeit des Pflegestützpunktes Melle nicht wie geplant an den Start gehen. Nach wie vor besteht jedoch eine hohe Nachfrage aus der Bevölkerung nach Aufklärung und Hilfe in pflegerischen Fragen, der dringend von unabhängiger Stelle begegnet werden muss.

Wie wichtig eine unabhängige Wohnberatung durch Städte und Landkreise ist, unterstreicht auch der Flyer „Wohnen im Alter“ des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. – Quelle und ©: www.ms.niedersachsen.de/startseite/jugend_familie/senioren_generationen/wohnen_im_alter/wohnen-im-alter-14087.html

„Ja, es kostet, aber das sollte es uns wert sein“.

Die zweite Forderung aus dem SPD/UWG-Antrag: „Die Wohnberatungsstelle wird wieder neu besetzt“. Bei dieser Wohnberatung geht es ums Wohnen im Alter, z.B. darum, wie die Wohnung oder das Haus altersgerecht umgestaltet werden kann.  „Menschen wollen doch so lange wie möglich in ihrem vertrauten Umfeld leben“, warb Jutta Olbricht (SPD) für den Antrag.

Jutta Olbricht (SPD) aus Georgsmarienhütte ist die Vorsitzende des Kreistagsausschusses „Kinder, Jugend und Familie“. Kreistagsmitglied ist sie seit 2006.© SPD

„Wir werden nicht nachlassen“.

Die Bedeutung der Wohnberatung wird auch im örtlichen Pflegebericht des Landkreises unterstrichen. Darin heißt es: „Bedauerlicherweise ist im letzten Jahr die Wohnberatung des Landkreises Osnabrück weggefallen, die eine zentrale Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger dargestellt hat, um sich frühzeitig zu dem Thema Wohnumfeldanpassung neutral beraten zu lassen.“ „Ja, das kostet“, so Jutta Olbricht zum Antrag von SPD/UWG, „aber das sollte es uns wert sein“.

Zum 2. Mal ein Livestream: Die Livestream-Übertragung ist ein Pilotprojekt für drei Sitzungen. Ein Livestream folgt also noch. Die nächste Kreistagssitzung findet am 19. Dezember statt. Danach wird neu über den Livestream entschieden. Quelle und ©: Landkreis Osnabrück (www.landkreis-osnabrueck.de).

Im Sozialausschuss, der am 6. September tagte, war mit den Stimmen von CDU und Grünen die Einrichtung eines Pflegestützpunktes und die Wiederbesetzung der Wohnberatungsstelle abgelehnt worden. „Überdenkt das doch bitte noch einmal“, wandte sich Jutta Olbricht an die Mitglieder des Kreistags. Der Kreistag stimmte jedoch nicht zu. Abgelehnt wurde der Antrag mit formalen Einwänden wie er gehöre nicht in den Komplex der strategischen Ziele zum Pflegebereich. „Wir werden nicht nachlassen, uns für den Pflegestützpunkt Melle und die Wohnberatung einzusetzen“, hatte Jutta Olbricht bereits für den Fall einer Ablehnung des Antrags gesagt.