Kreistag: Üble persönliche Angriffe

Aus den Reihen von CDU und Grünen kam es in der jüngsten Kreistagssitzung im Rahmen der Debatte über die Finanzierung des Breitband-Ausbaus zu üblen Unterstellungen in Richtung SPD/UWG und zu persönlichen Angriffen auf den Kollegen Guido Pott (SPD). So war die Rede des CDU-Fraktionschefs Johannes Eichholz streckenweise von einer Polemik und Giftigkeit geprägt, die politischen Anstand vermissen ließ. Hier unser UWG-Kommentar zu den Ereignissen.

Ein Teil der Kreistagsgruppe SPD/UWG mit (vordere Reihe): rechts Guido Pott (SPD) und neben ihm Matthias Pietsch (UWG). In der hinteren Reihe die UWG-Fraktionsmitglieder Detert Brummer-Bange (rechts) und Sebastian Gottlöber (2. von links). Eine Entschuldigung für üble Attacken forderte Thomas Rehme (SPD), der Vorsitzende der Gruppe SPD/UWG (vorne, 2. von links). Quelle und ©: www.facebook.com/spdfraktion.lkos

Haltlose CDU-Unterstellungen und persönliche Angriffe.

Die Debatte zur weiteren Finanzierung des Breitband-Ausbaus fand vor dem Hintergrund statt, dass die rot-grüne Landesregierung entschied, den Breitbandausbau ab dem Jahr 2024 nicht länger zu fördern. Zum Prügelknaben wurden für Redner von CDU und Grünen, die im Kreistag-Bündnis-Partner sind, die SPD und Guido Pott ganz persönlich. So bezeichnete CDU-Fraktionschef Johannes Eichholz z. B. die Kreistags-SPD als „verlängerten Arm den Landesregierung“ und unterstellte, Guido Pott habe „nicht den Mut, sich gegen die Landesregierung zu positionieren“ und er wolle sich gar nicht für die Interessen des Landkreises einsetzen.

Guido Pott sitzt seit 2017 für die SPD im Niedersächsischen Landtag. Er holte im Wahlkreis Bramsche bei der Landtagswahl 40,3 % der Erststimmen und ist damit einer der 57 SPD-Landtagsabgeordneten. CDU: 47, Grüne: 24, AfD: 18. Quelle Screenshot: www.facebook.com/guido.pott.12/

Unser SPD-Gruppenkollege Guide Pott ist seit 1996 Mitglied des Kreistags und gehört seit 2017 dem niedersächsischen Landtag an. Ihm nach seinen vielen Jahren politischer Arbeit den Willen abzusprechen, sich für den Landkreis einzusetzen, sprengt die Grenzen des politischen Anstands. Dass die Kreistags-CDU die Debatte vor allem für eine Abrechnung mit der rot-grünen Landesregierung nutzen wollte, wurde auch dadurch deutlich, dass die von Rot-Grün beschlossene Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft im Fokus ihrer Kritik stand.

Die Grünen voll auf CDU-Kurs. Lösungsorientierte Beiträge hatten keine Chance.

Zu den Besonderheiten diese Debatte am 9. Oktober gehörte, zu erleben, dass die Kreistags-Grünen kommentarlos aller Kritik ihres CDU-Partners an der rot-grünen Landesregierung lauschten – inklusive der Kritik an der Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft. Dabei war und ist die Landeswohnungsbaugesellschaft eine ureigene Forderung der niedersächsischen Grünen, um mehr und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Scharf-giftige Töne schlug streckenweise der CDU-Fraktionschef Johannes Eichholz an. Populistisch-polemisch die Stoßrichtung, den städtischen und ländlichen Raum gegeneinander auszuspielen. Quelle Screenshot und ©: www.facebook.com/cdu.fraktion.lkos

Voll auf CDU-Kurs segelten die Grünen schließlich beim CDU-initiierten Überbietungswettbewerb „wer ist der schärfste Kritiker der rot-grünen Landesregierung“. So beteuerte Mareen Guth, die Kreistags-Grünen hätten sich eingesetzt und „der eigenen Regierung widersprochen“. Die Grünen würden es schaffen, „gegen die eigene Regierung vorzugehen“, lobte prompt die CDU – und schoss gegen die SPD von der Art „warum schafft ihr das nicht, wenn die Grünen es schaffen?“. Sach- und lösungsorientierte Beiträge aus unseren SPD/UWG-Reihen, so von Guido Pott und Detert Brummer-Bange, hatten in diesem vom CDU-Bashing der rot-grünen Landesregierung geprägten Debattenklima keine Chance.

Gerald Heere (Bündnis90/Die Grünen) ist als niedersächsischer Finanzminister verantwortlich für die Finanz- und Haushaltspolitik und damit auch für die Budgets der Ressorts wie z. B. das Budget des von Olaf Lies (SPD) geführten Ministeriums für Wirtschaft, Bauen, Verkehr und Digitalisierung. Quelle und ©: www.facebook.com/watch/?v=714926060044511

Landkreis-Grüne: Nicht happy, aber das ist niemand in der Koalition.

Dass es das vorrangige Ziel der CDU war, eine Kreistagsmehrheit gegen Rot-Grün in Hannover in Stellung zu bringen, ist wenig verwunderlich, denn auf Landesebene ist die CDU seit der Landtagswahl im letzten Jahr in der Opposition und nicht länger Teil der Regierung. Zu fragen ist jedoch: Worin besteht die Gemeinsamkeit zwischen Kreistags-Grünen und Kreistags-CDU? Kein Geld für eine Landeswohnungsbaugesellschaft ausgeben, sondern dieses Geld in eine weitere Förderung des Breitband-Ausbaus stecken: Das ist die Position der CDU. Ist das auch die Position der Kreistags-Grünen?

Ein wichtiges Anliegen der Grünen wie auch der SPD: Die Landeswohnungsbaugesellschaft. Nach Aussage von Bauminister Olaf Lies soll sie Anfang 2024 ihre Arbeit aufnehmen – auch mit dem Ziel, den Sozialwohnungsbau voranzubringen. Quelle: www.gruene-niedersachsen.de

Was die Landkreis-Grünen angeht, war in einem Bericht bei netzpolitik.org zu lesen: „Ich komme aus dem ländlichen Raum und bin mit dem Förder-Stopp nicht happy – aber das ist niemand in der Koalition“, sagt Sina Beckmann, die in der Grünen-Landtagsfraktion unter anderem die Digitalisierung der Wirtschaft koordiniert. Aber nach Abwägung und angesichts der konkreten Haushaltslage stehe die Grünen-Fraktion hinter dieser Entscheidung.“ Quelle: (1).

Ein Nachspiel und eine Entschuldigung. Der CDU-Fraktionschef folgte dem guten Beispiel nicht.

Zurück zur Kreistagssitzung: Da hatte die Debatte zur Breitbandfinanzierung ein Nachspiel. Thomas Rehme (SPD), der Vorsitzende unserer Gruppe SPD/UWG, meldete sich zu Wort und sagte: Normalerweise gehe man im Kreistag höflich miteinander um, aber wie Marvin Lorenz Guido Pott angegangen sei, das sei völlig unpassend gewesen, und er forderte eine Entschuldigung. Marvin Lorenz von den Grünen, mit 21 Jahren das jüngste Kreistagsmitglied, hatte zu einer üblen persönlichen Attacke auf Guido Pott ausgeholt. Er unterstellte u.a., dass Guido Pott die Interessen der jungen Leute völlig egal seien.

Schon seit Jahren engagiert für die Grünen im Einsatz: Marvin Lorenz (rechts) als Redner am 1. März 2019 bei der Fridays-for-Future-Demo in Bersenbrück. © rm

Marvin Lorenz kam der Aufforderung, sich zu entschuldigen, nach und reichte Guido Pott die Hand. Reif für eine Entschuldigung waren allerdings auch Teile der Rede des CDU-Fraktionschefs Eichholz, die von einem sachlich-anständigen Politikstil weit entfernt waren. Er folgte dem guten Beispiel, das Marvin Lorenz gab, allerdings nicht.

Ehrenamtliche Politiker dürfen giftig-üble Attacken fahren?

Dass der Kreistagsvorsitzende André Berghegger (CDU) nicht ordnend eingegriffen hatte, kommentierte er mit der Bemerkung, in einem Berufsparlament hätte er es getan, aber der Kreistag sei ein ehrenamtliches Parlament. Das sehen wir als UWG völlig anders. Gerade auch auf der lokal-ehrenamtlichen Politikebene sollte politischer Anstand den Umgangston bestimmen und nicht Unterstellungen und persönliche Angriffe.

Auch die Tagesschau-Webseite vermeldete, dass der Kreistag über den Breitbandausbau diskutiert. Quelle und ©:  www.tagesschau.de/inland/regional/niedersachsen/ndr-landkreis-osnabrueck-kreistag-diskutiert-ueber-breitbandausbau-100.html

Der ländliche Raum wird abgehängt? Fakt ist: Bereits 81 % aller Gebäude gesichert mit schnellem Internet versorgt.

Zum polemischen Debattenstil von Rednern der CDU-geführten Mehrheit gehörte auch, ein Zerrbild vom Stand des Breitband-Ausbaus zu zeichnen. Fakt ist: 500 Millionen Euro hat das Land Niedersachsen bislang in den Breitband-Ausbau gesteckt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums hatten im Jahr 2018 nur 6 % der Haushalte in Niedersachsen einen gigabit-fähigen Internetanschluss. Inzwischen liege der Anteil bei 81 % und steige im Laufe des Jahres 2023 voraussichtlich auf rund 90 %.

Es muss zweifellos weitere Fortschritte geben, aber der Stand der Dinge rechtfertigt in keiner Weise, dass Redner von CDU und FDP ein „Desaster“ an die Wand malten und pauschal behaupteten, der ländliche Raum werde abgehängt.

Olaf Lies (SPD), Minister für Wirtschaft, Bauen, Verkehr und Digitalisierung, will trotz Auslaufens der Breitband-Förderung für einen weiteren zügigen Ausbau sorgen, z.B. dadurch, die Unternehmen beim Glasfaser-Ausbau stärker in die Pflicht zu nehmen. Quelle und ©: www.facebook.com/OlafLies.MdL/

Im Landkreis Osnabrück: 115.000 gesichert, 13.000 noch nicht.

Selbst im Landkreis Osnabrück, das beim Breitbandausbau deutlich schlechter aufgestellt ist als andere Landkreise, ist  sichergestellt, dass 115.000 Adressen mit schnellem Internet ausgestattet werden. Nicht gesichert ist die Versorgung von 13.000 Adressen, „graue Flecken“ genannt. Das betrifft  etwa 40.000 der insgesamt fast 370.000 Einwohner des Landkreises.

Selbstverständlich muss es das Ziel sein, alle Adressen zu versorgen. Eine weitere Förderung des Breitband-Ausbaus wäre wünschenswert. Wir halten es jedoch für geboten, nicht nur auf die Hoffnung zu setzen, dass per Appell an die Landesregierung eine Aufhebung des Förderstopps erreicht werden kann. Um in jedem Fall möglichst zügig eine Lösung zu finden für die 13.000 „grauen Flecken“ im Landkreis – z.B.  mittels des eigenwirtschaftlichen Ausbaus durch die Telekommunikationsunternehmen – sollte  das Angebot von Digitalisierungsminister Olaf Lies zu einer engen Zusammenarbeit angekommen werden.

Quelle 01: https://netzpolitik.org/2023/breitbandausbau-niedersachsen-laesst-kommunen-im-regen-stehen/