Was tun nach dem Einbürgerungs-Fall?

Sie soll über 41.000,- € in die eigene Tasche gesteckt und grobe Pflichtverletzungen begangen haben: So lautet der Vorwurf des Landkreises gegenüber einer für Einbürgerungen zuständigen Mitarbeiterin in der Ausländerbehörde. Das beschäftigt inzwischen auch die Kreistagspolitik. Zum derzeitigen Stand und den bislang vom Landkreis gestarteten Änderungen in der Ausländerbehörde Detert Brummer-Bange (UWG), der Vorsitzende des Kreistagsausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung. Ihn erreichte am 14. Februar die Nachricht, dass die CDU-Fraktion in einem zweiten Antrag von ihrer ursprünglichen Forderung abrückt. Mehr dazu am Schluss dieses Artikels.

Wie sehr das mutmaßliche kriminelle Verhalten einer einzigen Mitarbeiterin in der Ausländerbehörde in Osnabrück geschadet hat, zeigt auch das bundesweit verheerende Presseecho. Quelle und ©: https://www.google.com/search?client=firefox-b-e&q=Unterschlagung+Ausl%C3%A4nderbeh%C3%B6rde+Osnabr%C3%BCck

Ist außer einem finanziellen Schaden weiterer Schaden durch die Pflichtverletzungen entstanden? Wurden gar Menschen eingebürgert, die ein Sicherheitsrisiko darstellen? Die Antwort des Landkreises ist: Nein. Es wurden auch bereits erste Konsequenzen aus den mutmaßlichen strafbaren Taten der Mitarbeiterin gezogen. Die folgenden Aussagen zur Sache basieren auf den Ausführungen, die der Landkreis in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung am 31. Januar vorlegte.

2015: Detert Brummer-Bange (links stehend) bei einem Treffen mit Flüchtlingen im Haus Kirchburg in Ankum. So mancher der Asylbewerber aus den Jahren 2015/2016 hat sich inzwischen in unserer Region eine Existenz aufgebaut. © rm

Unterschlagungen und grobe Pflichtverletzungen.

Kurz zum Hintergrund: Im Frühjahr bis Sommer 2023 hat das Rechnungsprüfungsamt (RPA) routinemäßig unangekündigt alle 16 Bar-Kassen der Ausländerabteilung geprüft.15 davon waren beanstandungsfrei. In einer Bar-Kasse stellte das RPA jedoch zunächst einen Kassenfehlbestand von 104,- € fest. Das führte schließlich zu der Entdeckung, dass eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde aus Sicht des Landkreises Zehntausende Euro unterschlagen hat. So hat sie z. B. allein bei ca. der Hälfte ihrer 322 Einbürgerungen mutmaßlich Gebühren in Höhe von ca. 26.000,- € unterschlagen. Dazu kommen zahlreiche grobe Pflichtverletzungen. Der Landkreis erstattete Strafanzeige und der Mitarbeiterin wurde gekündigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Mitarbeiterin bestreitet die Vorwürfe.

Zur Arbeitsbelastung in der Ausländerbehörde sagte Landrätin Anna Kebschull u.a.: „Gerade auch die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Integration/Ausländer haben in 2022 und auch in 2023 ein immenses Pensum im Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine zu bewältigen gehabt.“ Quelle und © Screenshot: Landkreis OS, siehe (1).

Erkenntnis zum Aspekt Sicherheit: Die Menschen durften eingebürgert werden.

Stellt eine Person, die eingebürgert werden möchte, möglicherweise ein Sicherheitsrisiko dar und wer ist diese Person (Identität): Das (und manches mehr) muss vor einer Einbürgerung geklärt werden.

Um Sicherheitsrisiken auszuschließen, gehören zu den Prüfungspflichten in der Ausländerbehörde z. B. Anfragen beim Verfassungsschutz, bei der Staatsanwaltschaft und bei der Polizei. In einer Reihe von Fällen hat die Mitarbeiterin, der der Landkreis Vergehen vorwirft, keine Abfragen getätigt. Diese Abfragen sind nach Bekanntwerden durch den Landkreis nachgeholt worden. Das Ergebnis laut Landkreis: „Die flächendeckende Abfrage bei sämtlichen Sicherheitsbehörden (Verfassungsschutz, Polizei, Bundesamt für Justiz, Staatsanwaltschaft) ergab in keinem Fall etwaige Erkenntnisse in Bezug auf diesbezügliche Gründe, die einer Einbürgerung entgegengestanden hätten.“ Kurz gesagt: Unter Sicherheitsaspekten stand nichts einer Einbürgerung dieser Menschen entgegen. Dennoch war es ein gravierendes Vergehen, dass die Abfragen nicht vor der Einbürgerung getätigt wurden.

Februar 2016 in Alfhausen: In vielen Orten des Landkreises wurden Treffen mit Geflüchteten organisiert und es gab viel ehrenamtliches Engagement, um die Integration zu unterstützen. © rm

Erkenntnis zum Lebensunterhalt: Einbürgerung hatte keine finanziellen Vorteile.

Die höchste Anzahl bei den unterbliebenen Prüfungen entfiel auf die Prüfung der Sicherstellung des Lebensunterhalts. Die ehemalige Mitarbeiterin hat diese Prüfung in 189 Fällen nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Zwischenzeitliche Prüfungen des Landkreises haben ergeben, dass derzeit 60 ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sicherstellen. Die Höhe der Sozialleistungen unterscheidet sich allerdings nicht von der Höhe der Sozialleistungen, die sie bei ihrem vorherigen Aufenthaltsstatus erhalten haben bzw. aktuell erhalten würden. Der Verstoß besteht allerdings darin, dass nur Menschen eingebürgert werden sollen, die das Kriterium erfüllen: eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts (auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige) ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II.

Gute Nachrichten gehen oft unter. Dazu gehört (vom Februar 2024) das Lob des niedersächsischen Landesbeauftragten für Migration und Teilhabe, Deniz Kurku, der sagte: „Die Strukturen im Landkreis Osnabrück mit dem Migrationszentrum sind etwas Besonderes und modellhaft für das Land Niedersachsen.“ Sie fördern eine schnelle Integration, auch und vor allem in den Arbeitsmarkt. Quelle und © Screenshot: Maßarbeit. Siehe auch (2)

Erkenntnis zur Identität: Die Identitäten sind inzwischen geklärt.

In einer ersten Auswertung wurde laut Landkreis festgestellt, „dass bei 17 Personen in der Einbürgerungsakte keine verbindlichen Aussagen zu einer abschließenden Klärung der Identität gefunden werden konnten“ – was einer groben Pflichtverletzung gleichkäme. Zwischenzeitlich erfolgte Prüfungen auf Basis der Ausländerakte hätten nun ergeben, dass die Identität dieser 17 Personen geklärt ist. In den jeweiligen Ausländerakten befinden sich Dokumente, z.B. Familienbücher oder Auszüge aus dem Geburten-/Personenstandsregister welche zur Klärung beigetragen haben.“

Erste organisatorische Konsequenzen. Keine Barzahlung mehr.

Zwischenzeitlich, so der Landkreis, wurden ergänzend organisatorische Maßnahmen ergriffen, um ähnliche Fälle zukünftig zu verhindern. „Der Bereich Einbürgerung wurde auf wenige Mitarbeitende konzentriert und somit von der allgemeinen Sachbearbeitung organisatorisch und technisch entkoppelt.“

Viele bequeme Möglichkeiten, weiter auf dem Vormarsch: Bargeldlos zahlen. Bei Einbürgerungen steht die Umstellung auf bargeldlose Zahlungen kurz bevor. © rm

Weiterhin wurden die Mitarbeitenden dazu angehalten, soweit möglich auf Barzahlungen zu verzichten und vorrangig auf bargeldlose Zahlungsweisen bei den Antragsstellenden zu verweisen.

Weiterhin ist vorgesehen, das eingesetzte IT-Fachverfahren über eine Schnittstelle mit dem IT-Finanzwesen zu verbinden. Für den Bereich der Einbürgerungen steht die Umstellung auf ausschließlich bargeldlose Zahlungen kurzfristig bevor.“

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eingebürgert zu werden? Welche Unterlagen sind vorzulegen? Darüber informiert der Landkreis Osnabrück. Quelle und © Screenshot: https://service.landkreis-osnabrueck.de/dienstleistungen/-/egov-bis-detail/dienstleistung/2054/show

Wie weiter? Einbürgerungen aller Mitarbeitenden in den letzten 3 Jahren überprüfen?

Die CDU-Fraktion richtet den Blick auf die verbliebenen Mitarbeitenden in der Ausländerbehörde. „Diese eine ehemalige Mitarbeiterin war eine von ca. 25 Kolleginnen und Kollegen in der Ausländerbehörde, eine von über 100 im Fachdienst Ordnung, eine von über 1000 in

der gesamten Landkreisverwaltung“, so Landrätin Anna Kebschull in ihrer Beantwortung einer Anfrage der CDU-Fraktion. Diese anderen Kolleginnen und Kollegen haben

zwischen 19 und 259 Einbürgerungen vorgenommen. Soll, wie von der CDU in einem erst während der Ausschuss-Sitzung am 31. Januar vorgelegten Antrag gefordert wird, die gesamte Einbürgerungs-Arbeit aller Mitarbeitenden im Zeitraum der letzten 3 Jahre überprüft werden (vom 1.1.21 bis 31.12.23)?

Menschen mit Sprachproblemen, die zurechtkommen müssen in einem neuen Umfeld, sehr viele Nationalitäten: Das sind nur wenige der Herausforderungen, die die Arbeit von Mitarbeitenden in der Ausländerbehörde bestimmen. © Screenshot: Landkreis Osnabrück.

Die Position der Verwaltung: Der Landkreis müsse bereits aus arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und Kapazitätsgründen davon ausgehen, dass die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter grundsätzlich korrekt vorgehen und sich bei komplizierteren Themen und Fragen an die Führungskraft wenden. Eine regelmäßige Überprüfung von Vorgängen im Zuge eines 4-Augen-Prinzips sei nicht vorgesehen. Bei der Vielzahl an Entscheidungen, welche täglich durch die Mitarbeitenden des Landkreises – ob in der Ausländerbehörde oder in anderen Bereichen – getroffen werden, sei ein solches Prinzip auch nicht zu gewährleisten.

Kein Anfangsverdacht. Trotzdem eine Überprüfung aller?

Sollen tatsächlich alle Einbürgerungen der Mitarbeitenden der Ausländerbehörde in den letzten 3 Jahren überprüft werden – obwohl es keinerlei Anfangsverdacht gibt? Wäre es z. B. nicht angemessener, zunächst einmal Stichproben vorzunehmen? Es könnte sich auch die Frage stellen: Haben die Mitarbeitenden in der Ausländerbehörde nicht ebenso Vertrauen in ihre Rechtschaffenheit verdient wie alle anderen Mitarbeitenden in der Verwaltung?

Das Rechnungsprüfungsamt ist laut Organigramm das Referat R (linke Spalten unten, unter Vorstand Landrätin). Quelle und ©: www.landkreis-osnabrueck.de/verwaltung/verwaltung/kreisverwaltung/organigramm

Nachricht 14. Februar: Die CDU rückt von ihrer ursprünglichen Forderung ab.

Einsicht ist immer zu begrüßen! Die CDU-Kreistagsfraktion rückte von ihrem zwei Wochen zuvor gestellten Antrag (die Einbürgerungen aller Mitarbeitenden über 3 Jahre zu überprüfen) ab. Den entsprechenden Antrag verschickte der Sitzungsdienst des Landkreises am 14. Februar. Jetzt wird von der CDU nur noch gefordert: Das Rechnungsprüfungsamt solle „nach eigenem Ermessen sinnvolle Zeitabschnitte innerhalb des Überprüfungszeitraumes bilden und über diese Zwischenschritte der Prüfung im Ausschuss für Feuerschutz, Integration und Ordnung berichten“.

Quellen:

(1) www.landkreis-osnabrueck.de/fachthemen/migration-und-integration/beratung-und-hilfen/willkommensbehoerde/wir-ueber-uns

(2) www.landkreis-osnabrueck.de/presse/pressestelle/pressemeldungen/62627-migrationszentrum-ist-modellhaft-fuer-niedersachsen