Sie soll über 41.000,- € in die eigene Tasche gesteckt und grobe Pflichtverletzungen begangen haben: So lautet der Vorwurf des Landkreises gegenüber einer für Einbürgerungen zuständigen Mitarbeiterin in der Ausländerbehörde. Das beschäftigt inzwischen auch die Kreistagspolitik. Zum derzeitigen Stand und den bislang vom Landkreis gestarteten Änderungen in der Ausländerbehörde Detert Brummer-Bange (UWG), der Vorsitzende des Kreistagsausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung. Ihn erreichte am 14. Februar die Nachricht, dass die CDU-Fraktion in einem zweiten Antrag von ihrer ursprünglichen Forderung abrückt. Mehr dazu am Schluss dieses Artikels.
Ist außer einem finanziellen Schaden weiterer Schaden durch die Pflichtverletzungen entstanden? Wurden gar Menschen eingebürgert, die ein Sicherheitsrisiko darstellen? Die Antwort des Landkreises ist: Nein. Es wurden auch bereits erste Konsequenzen aus den mutmaßlichen strafbaren Taten der Mitarbeiterin gezogen. Die folgenden Aussagen zur Sache basieren auf den Ausführungen, die der Landkreis in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Feuerschutz, Integration und Ordnung am 31. Januar vorlegte.
Unterschlagungen und grobe Pflichtverletzungen.
Kurz zum Hintergrund: Im Frühjahr bis Sommer 2023 hat das Rechnungsprüfungsamt (RPA) routinemäßig unangekündigt alle 16 Bar-Kassen der Ausländerabteilung geprüft.15 davon waren beanstandungsfrei. In einer Bar-Kasse stellte das RPA jedoch zunächst einen Kassenfehlbestand von 104,- € fest. Das führte schließlich zu der Entdeckung, dass eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde aus Sicht des Landkreises Zehntausende Euro unterschlagen hat. So hat sie z. B. allein bei ca. der Hälfte ihrer 322 Einbürgerungen mutmaßlich Gebühren in Höhe von ca. 26.000,- € unterschlagen. Dazu kommen zahlreiche grobe Pflichtverletzungen. Der Landkreis erstattete Strafanzeige und der Mitarbeiterin wurde gekündigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Mitarbeiterin bestreitet die Vorwürfe.
Erkenntnis zum Aspekt Sicherheit: Die Menschen durften eingebürgert werden.
Stellt eine Person, die eingebürgert werden möchte, möglicherweise ein Sicherheitsrisiko dar und wer ist diese Person (Identität): Das (und manches mehr) muss vor einer Einbürgerung geklärt werden.
Um Sicherheitsrisiken auszuschließen, gehören zu den Prüfungspflichten in der Ausländerbehörde z. B. Anfragen beim Verfassungsschutz, bei der Staatsanwaltschaft und bei der Polizei. In einer Reihe von Fällen hat die Mitarbeiterin, der der Landkreis Vergehen vorwirft, keine Abfragen getätigt. Diese Abfragen sind nach Bekanntwerden durch den Landkreis nachgeholt worden. Das Ergebnis laut Landkreis: „Die flächendeckende Abfrage bei sämtlichen Sicherheitsbehörden (Verfassungsschutz, Polizei, Bundesamt für Justiz, Staatsanwaltschaft) ergab in keinem Fall etwaige Erkenntnisse in Bezug auf diesbezügliche Gründe, die einer Einbürgerung entgegengestanden hätten.“ Kurz gesagt: Unter Sicherheitsaspekten stand nichts einer Einbürgerung dieser Menschen entgegen. Dennoch war es ein gravierendes Vergehen, dass die Abfragen nicht vor der Einbürgerung getätigt wurden.
Erkenntnis zum Lebensunterhalt: Einbürgerung hatte keine finanziellen Vorteile.
Die höchste Anzahl bei den unterbliebenen Prüfungen entfiel auf die Prüfung der Sicherstellung des Lebensunterhalts. Die ehemalige Mitarbeiterin hat diese Prüfung in 189 Fällen nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Zwischenzeitliche Prüfungen des Landkreises haben ergeben, dass derzeit 60 ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sicherstellen. Die Höhe der Sozialleistungen unterscheidet sich allerdings nicht von der Höhe der Sozialleistungen, die sie bei ihrem vorherigen Aufenthaltsstatus erhalten haben bzw. aktuell erhalten würden. Der Verstoß besteht allerdings darin, dass nur Menschen eingebürgert werden sollen, die das Kriterium erfüllen: eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts (auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige) ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II.
Erkenntnis zur Identität: Die Identitäten sind inzwischen geklärt.
In einer ersten Auswertung wurde laut Landkreis festgestellt, „dass bei 17 Personen in der Einbürgerungsakte keine verbindlichen Aussagen zu einer abschließenden Klärung der Identität gefunden werden konnten“ – was einer groben Pflichtverletzung gleichkäme. Zwischenzeitlich erfolgte Prüfungen auf Basis der Ausländerakte hätten nun ergeben, dass die Identität dieser 17 Personen geklärt ist. In den jeweiligen Ausländerakten befinden sich Dokumente, z.B. Familienbücher oder Auszüge aus dem Geburten-/Personenstandsregister welche zur Klärung beigetragen haben.“
Erste organisatorische Konsequenzen. Keine Barzahlung mehr.
Zwischenzeitlich, so der Landkreis, wurden ergänzend organisatorische Maßnahmen ergriffen, um ähnliche Fälle zukünftig zu verhindern. „Der Bereich Einbürgerung wurde auf wenige Mitarbeitende konzentriert und somit von der allgemeinen Sachbearbeitung organisatorisch und technisch entkoppelt.“
Weiterhin wurden die Mitarbeitenden dazu angehalten, soweit möglich auf Barzahlungen zu verzichten und vorrangig auf bargeldlose Zahlungsweisen bei den Antragsstellenden zu verweisen.
Weiterhin ist vorgesehen, das eingesetzte IT-Fachverfahren über eine Schnittstelle mit dem IT-Finanzwesen zu verbinden. Für den Bereich der Einbürgerungen steht die Umstellung auf ausschließlich bargeldlose Zahlungen kurzfristig bevor.“
Wie weiter? Einbürgerungen aller Mitarbeitenden in den letzten 3 Jahren überprüfen?
Die CDU-Fraktion richtet den Blick auf die verbliebenen Mitarbeitenden in der Ausländerbehörde. „Diese eine ehemalige Mitarbeiterin war eine von ca. 25 Kolleginnen und Kollegen in der Ausländerbehörde, eine von über 100 im Fachdienst Ordnung, eine von über 1000 in
der gesamten Landkreisverwaltung“, so Landrätin Anna Kebschull in ihrer Beantwortung einer Anfrage der CDU-Fraktion. Diese anderen Kolleginnen und Kollegen haben
zwischen 19 und 259 Einbürgerungen vorgenommen. Soll, wie von der CDU in einem erst während der Ausschuss-Sitzung am 31. Januar vorgelegten Antrag gefordert wird, die gesamte Einbürgerungs-Arbeit aller Mitarbeitenden im Zeitraum der letzten 3 Jahre überprüft werden (vom 1.1.21 bis 31.12.23)?
Die Position der Verwaltung: Der Landkreis müsse bereits aus arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und Kapazitätsgründen davon ausgehen, dass die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter grundsätzlich korrekt vorgehen und sich bei komplizierteren Themen und Fragen an die Führungskraft wenden. Eine regelmäßige Überprüfung von Vorgängen im Zuge eines 4-Augen-Prinzips sei nicht vorgesehen. Bei der Vielzahl an Entscheidungen, welche täglich durch die Mitarbeitenden des Landkreises – ob in der Ausländerbehörde oder in anderen Bereichen – getroffen werden, sei ein solches Prinzip auch nicht zu gewährleisten.
Kein Anfangsverdacht. Trotzdem eine Überprüfung aller?
Sollen tatsächlich alle Einbürgerungen der Mitarbeitenden der Ausländerbehörde in den letzten 3 Jahren überprüft werden – obwohl es keinerlei Anfangsverdacht gibt? Wäre es z. B. nicht angemessener, zunächst einmal Stichproben vorzunehmen? Es könnte sich auch die Frage stellen: Haben die Mitarbeitenden in der Ausländerbehörde nicht ebenso Vertrauen in ihre Rechtschaffenheit verdient wie alle anderen Mitarbeitenden in der Verwaltung?
Nachricht 14. Februar: Die CDU rückt von ihrer ursprünglichen Forderung ab.
Einsicht ist immer zu begrüßen! Die CDU-Kreistagsfraktion rückte von ihrem zwei Wochen zuvor gestellten Antrag (die Einbürgerungen aller Mitarbeitenden über 3 Jahre zu überprüfen) ab. Den entsprechenden Antrag verschickte der Sitzungsdienst des Landkreises am 14. Februar. Jetzt wird von der CDU nur noch gefordert: Das Rechnungsprüfungsamt solle „nach eigenem Ermessen sinnvolle Zeitabschnitte innerhalb des Überprüfungszeitraumes bilden und über diese Zwischenschritte der Prüfung im Ausschuss für Feuerschutz, Integration und Ordnung berichten“.
Quellen: